LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe allodium (DRW)

Wörterbuch Deutsches Rechtswörterbuch (1914-). Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger. Online-Version.
Fundstelle Bd. 1, Sp. 486
Inhalt

Allod frk. alodis f., mitunter m., latinisiert alodis u. alodus, später alod(i)um; endlich allgemein allodium; frz. alleu; prov. aloc od. alo; mnl. alloy. Das von Grimm auf Grund der in einst westgot. Gegenden seit dem 9. Jh. vorkommenden Form alaudis od. alaudum vermutete got. *alauds ist nicht bezeugt. Ebensowenig ags. *alead, an. *alauðr. I Herkunft: germ. Wort, W. zusammengesetzt aus al (voll ganz), und ôd (Gut, Vermögen). II Verbreitung. Zuerst in der LSal. Sehr häufig in allen fränk. Quellen. Schon in frk. Zeit auch in bair., alam. und thür. Quellen. Hier vermutlich aus der frk. Rechtssprache. So wegen des unveränderten d-Lautes GrRA.4 II 4. In der nachfränk. Zeit durch Vermittlung des Lateinischen allgemein verbreitet. Mehr und mehr errang nun die Form alodium und bald allodium die Herrschaft; seit dem 11. Jh. verschwanden die älteren Formen alodis und alodus überhaupt. Während des ganzen Mittelalters findet sich das Wort auf deutschem Boden nur in lateinischen Texten; in den deutschen Texten wird es ausnahmslos durch ein anderes Wort ersetzt. Anders in Frankreich, wo (franc) aleu usw. in die frz. Quellensprache überging: La Curne, Dict. Et. I 345ff. Auf frz. Einfluß beruht es wohl, daß in Brabant das Wort alloy gelegentlich in einem mnl. Text erscheint. Im 9. Jh. muß das Wort in ostfrk. Gegenden noch der d. Rechtssprache angehört haben. Dann aber ward es als Fremdwort empfunden. Schon seit dem 10. Jh. wird es in Glossen mit eigen verdeutscht. Ebenso in Urkunden des 13. Jhs. Verdeutschungen in jüngeren Glossarien und Vokabularien. Mit der Vorherrschaft der deutschen Sprache in den Rechtsquellen verschwand ,Allod" allmählich vom deutschen Boden. Mit der Rezeption drang es aus der Gelehrtensprache wieder ins Deutsche ein, behielt aber auch in deutschen Texten die Form allodium. Bezeichnenderweise wird es noch im PreußALR. lat. dekliniert. Im übrigen begegnet namentlich die lat. gebildete Ableitung allodial als Adjektiv und in Zusammensetzungen. Erst im 19. Jh. hat sich die deutsche Rechtssprache das Wort in der Form allod voll wieder angeeignet. III Bedeutung. Ursprünglich: Vollgut, Gut in vollem Eigentum, freies Vermögen. Diesen Sinn hat das Wort im allg. stets bewahrt. Seine Anwendung aber hat sich im Zusammenhange mit den wirtschaftlichen und rechtlichen Wandlungen des Vermögens mehrfach verschoben. III 1 Bei seiner Entstehung kann es nur das fahrende Gut im Gegensatz zum liegenden Gut bezeichnet haben. Solange nur die Fahrnis ôd war, lag ein Anlaß zur Steigerung des Begriffes ôd durch den Zusatz al nicht vor. Seit Ausbildung des Sondereigentums an Grund und Boden nahmen auch Grundstücke am Namen ôd teil, ohne doch zunächst der gleich vollen und freien Einzelherrschaft wie die Fahrnis zu unterliegen. Nunmehr konnte innerhalb des Vermögens ein Unterschied zwischen ôd und alôd gemacht und gegenüber dem beschränkten und gebundenen Grundbesitz die bewegliche Habe als alôd ausgezeichnet werden. Es ist aus inneren Gründen wahrscheinlich, daß bei der Abfassung der LSal. das Wort alodis noch lediglich auf die Fahrnis bezogen wurde. Dafür spricht aber auch die Fassung des von der Erbfolge handelnden Titels (Hessels-Kern Tit. 59 in Cod. 1. 3. 4. 6 und 5, Tit. 61 in Cod. 2, Tit. 92 in Cod. 7-9, Tit. 62 in Cod. 10 und Emend.) de alodis (Cod. 1-4 und 10). Das Wort hereditas gebraucht er von der terra wie von der Fahrnis, stellt also offenbar innerhalb der hereditas die terra in einen Gegensatz zur alodis. Sohm, Fränk. R. und G. V. 118 (anders die herrschende Meinung). Bestätigt, nicht widerlegt wird diese Auffassung durch den Zusatz in einer späteren Handschrift. Lediglich den Fahrnisnachlaß bezeichnet alodis auch im folgenden, der LSal. einverleibten Kapitel. Denn der intertiatio unterliegen nur bewegliche Sachen: III 2 Schon früh in frk. Zeit wurde infolge der Verstärkung des Privateigentums an Grund und Boden der Grundbesitz in den Begriff der alodis einbezogen, ohne daß zunächst die Fahrnis ausgeschieden worden wäre. Die alodis umfaßt daher nunmehr liegendes und fahrendes Gut. III 2 a In jüngeren Volksrechten bezeichnet alodis das ganze Vermögen. III 2 b Wie in der LSal. (oben zu 1), so wird auch später das Wort alodis vorzugsweise für das Vermögen als Nachlaß gebraucht. III 2 c Aus dieser regelmäßigen Verwendung des Wortes für den Nachlaß entwickelt sich der Sprachgebrauch, innerhalb des Vermögens das ererbte Gut im Gegensatz zum erworbenen Gut als alodis zu bezeichnen. III 3 In der späteren frk. Zeit setzt ein neuer Sprachgebrauch ein, der unter Allod zuerst vorzugsweise und dann ausschließlich liegendes Gut versteht entsprechend der gleichzeitigen Begriffsverengung von eigen und erbe. Folgeerscheinung der sich entfaltenden wirtschaftlichen und rechtlichen Vormacht des Grundbesitzes, der nun als das Vermögen im wahren und vollen Sinne gilt. III 3 a Die Ausscheidung der Fahrnis begegnet in Kapitularien des 9. Jhs. III 3 b Das Wort kann den gesamten Grundbesitz einer Person bezeichnen. III 3 c Überwiegend bezeichnet es das einzelne Grundstück als Gegenstand eines Rechtsverhältnisses, Rechtsgeschäftes oder Rechtsstreites. III 3 d Das Wort bezeichnet genau wie eigen sowohl das Grundstück als Eingentumsgegenstand wie das daran bestehende Eigentumsrecht. III 4 Seit der Verbreitung des abgeleiteten Besitzes an Grund und Boden trat im Begriff des Allods der Gegensatz zu unvollkommenerem Besitzrecht in den Vordergrund. III 4 a In karol. Zeit bildet die alodis den Gegensatz zum beneficium. III 4 b Buchland. III 4 c Seit der Ausbildung des Lehnswesens wird Allod regelmäßig als Gegensatz zu feudum gebraucht. III 4 d Eine weitere Steigerung erfuhr der Begriff des Allods durch die Einschränkung auf lastenfreies Grundeigentum im Gegensatz zu allem belasteten Grundbesitz einschließlich von zinspflichtigem Eigen. Diese Erscheinung, die in Frankreich häufig auftritt (DuCange I 199) begegnet auch in deut. (bes. rhein.) Gegenden. III 4 e Das bloße Obereigentum an erblich verliehenem Gut scheint, weil es eben kein Volleigentum ist, im deut. MA. nicht als Allod bezeichnet zu sein, während es doch eigenschaft o. proprietas heißt. Ein Grundstück kann des einen lehen o. erbe und des anderen eigen, nicht aber des einen Lehen o. Zinsgut und des anderen Allod sein. III 5 In manchen Gegenden blieb schließlich der Name Allod an einzelnen Güterarten o. Gütern haften. Das Verständnis für den eigentlichen Wortsinn ist dabei verloren gegangen. III 5 a Fronhof. III 5 b Umgekehrt bedeutet in vielen Gegenden im 12. - 15. Jh. allodium ein Vorwerk, Außengut. III 5 c Bisweilen Gegensatz zu Neuland. Vielleicht handelt es sich um neu angelegte Kolonenhufen, die aus dem Allod ausscheiden. III 5 d Manchmal werden bei Aufzählung der Besitzungen einer Kirche einzelne Güter unter Hinweis auf ihre Herkunft aus dem Besitz von Edlen mit dem Namen allodium ausgezeichnet. Dies läßt vermuten, daß hier an den konkreten Gütern der Name Allod haften geblieben war, obschon das gegenwärtige Besitzverhältnis an ihnen von dem an den andern Gütern nicht verschieden war. III 5 e So erklärt es sich, daß vielfach auch Lehen und hofrechtliche Leihegüter den Namen allodium fortführen. III 5 f In der Gemarkung von Rickenbach in S. Gallen ist sogar Allot zum Eigennamen eines Grundstückes geworden. III 6 Bei seiner Wiederbelebung nach der Rezeption empfing das Wort Allod seinen begrifflichen Inhalt lediglich aus dem auf Grund des langob. Lehnr. entwickelten Sprachgebrauch der Feudisten. III 6 a Seine eigentliche Bedeutung ist daher nunmehr 'dem Lehnsverbande nicht unterworfenes Gut'. III 6 b In neuerer Zeit wurde das Wort Allod mit seinen Ableitungen auch als Gegensatz zu dem Fideikommißvermögen für das freie Vermögen des Besitzes eines Familienfideikomisses gebraucht. III 6 c Eine analoge Anwendung des Wortes Allod begegnet bei Meiergütern für das dem Gutsherrn nicht gehörige, jedoch nur zum Teil freie, zum Teil mit dem Meiergut verbundene Vermögen des Meiers. III 7 In Siebenbürgen bezeichnet seit dem 18. Jh. allodium die Gemeinde als Vermögenssubjekt. Davon: allodiälkasz, allodiälrechnung, allodiälvermögen. Früher (16. Jh.) auch hier ein Landgut, insbesondere einen Meierhof. Die heutige Bedeutung scheint von den städtischen Einkünften aus Meierhöfen ihren Ausgang genommen zu haben. IV Ableitungen. allodiones (pl.) für Miterben. Schwerlich von alodis abgeleitet ist aloarii. Dagegen stammt von alodis das Wort alodiarius (alodarius, aloerius, allodiarius), das später in roman. Ländern den Allodbesitzer bezeichnet. In der Westschweiz begegnen allidotarii, allodleute als zum Allod gehörige Eigenleute. Die lat. Ableitungen allodialis und allodialiter begegnen in Deutschland zuerst im 13. und 14. Jh. (vgl. Allod III 4 c und Allod III 4 d) und gehen in der Neuzeit in der Form allodial in die deutschen Texte über.

Letzte Änderung am 21.11.2018 durch Anette Kremer
Link http://www.rzuser.uni-heidelberg.de/~cd2/drw/e/al/allod.htm
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