Wörterbuchangabe allodium (DRW)
Wörterbuch | Deutsches Rechtswörterbuch (1914-). Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprache. Weimar: Hermann Böhlaus Nachfolger. Online-Version. |
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Fundstelle | Bd. 1, Sp. 485-486 |
Inhalt | Allod: I Herkunft: germ. Wort, W. zusammengesetzt aus al (voll ganz), u. ôd (Gut, Vermögen). GrRA.4 II 3; DWB. I 238; Graff I 220. 237; Waitz,VG. II 1 S. 285; Kluge, WB.6 9; Paul,WB. 12; vanHelten,Gl. 485. - Die Ableitung der Silbe al von adal versucht Braune, ZRomPhil. 10, 266f. - Bezweifelt wird die germ. Herkunft von Müllenhoff bei Waitz, Das alte R. 278, EtWB.2 12f. II Verbreitung -- Zuerst in der LSal. Sehr häufig in allen fränk. Quellen. Schon in frk. Zeit auch in bair., alam. u. thühr. Quellen. Hier vermutlich aus der frk. Rechtssprache. So wegen des unveränderten d-Lautes GrRA.4 II 4; a. M. Waitz,VG. II 1 S. 287 -- In der nachfränk. Zeit durch Vermittlung des Lateinischen allgemein verbreitet. Mehr und mehr errang nun die Form alodium und bald allodium die Herrschaft; seit dem 11. Jh. verschwanden die älteren Formen alodis und alodus überhaupt. Während des ganzen Mittelalters findet sich das Wort auf deutschem Boden nur in lateinischen Texten; in den deutschen Texten wird es ausnahmslos durch ein anderes Wort ersetzt. Anders in Frankreich, wo (franc) aleu usw. in die frz. Quellensprache überging: La Curne, Dict. Et. I 345ff. Auf frz. Einfluß beruht es wohl, daß in Brabant das Wort alloy gelegentlich in einem mnl. Text erscheint -- Im 9. Jh. muß das Wort in ostfrk. Gegenden noch der d. Rechtssprache angehört haben -- Dann aber ward es als Fremdwort empfunden. Schon seit dem 10. Jh. wird es in Glossen mit eigen verdeutscht -- Ebenso in Urkunden des 13. Jhs. -- Verdeutschungen in jüngeren Glossarien und Vokabularien -- Mit der Vorherrschaft der deutschen Sprache in den Rechtsquellen verschwand ,Allod" allmählich vom deutschen Boden. Mit der Rezeption drang es aus der Gelehrtensprache wieder ins Deutsche ein, behielt aber auch in deutschen Texten die Form allodium. Bezeichnenderweise wird es noch im PreußALR. lat. dekliniert -- Im übrigen begegnet namentlich die lat. gebildete Ableitung allodial als Adjektiv und in Zusammensetzungen. Erst im 19. Jh. hat sich die deutsche Rechtssprache das Wort in der Form allod voll wieder angeeignet. III Bedeutung. Ursprünglich: Vollgut, Gut in vollem Eigentum, freies Vermögen. Diesen Sinn hat das Wort im allg. stets bewahrt. Seine Anwendung aber hat sich im Zusammenhange mit den wirtschaftlichen u. rechtlichen Wandlungen des Vermögens mehrfach verschoben 1 Bei seiner Entstehung kann es nur das fahrende Gut im Gegensatz zum liegenden Gut bezeichnet haben. Solange nur die Fahrnis ôd war, lag ein Anlaß zur Steigerung des Begriffes ôd durch den Zusatz al nicht vor. Seit Ausbildung des Sondereigentums an Grund u. Boden nahmen auch Grundstücke am Namen ôd teil, ohne doch zunächst der gleich vollen u. freien Einzelherrschaft wie die Fahrnis zu unterliegen. Nunmehr konnte innerhalb des Vermögens ein Unterschied zwischen ôd und alôd gemacht u. gegenüber dem beschränkten und gebundenen Grundbesitz die bewegliche Habe als alôd ausgezeichnet werden. Es ist aus inneren Gründen wahrscheinlich, daß bei der Abfassung der LSal. das Wort alodis noch lediglich auf die Fahrnis bezogen wurde. Dafür spricht aber auch die Fassung des von der Erbfolge handelnden Titels (Hessels-Kern Tit. 59 in Cod. 1. 3. 4. 6 u. 5, Tit. 61 in Cod. 2, Tit. 92 in Cod. 7-9, Tit. 62 in Cod. 10 u. Emend.) de alodis (Cod. 1-4 u. 10). Das Wort hereditas gebraucht er von der terra wie von der Fahrnis, stellt also offenbar innerhalb der hereditas die terra in einen Gegensatz zur alodis. Sohm, Fränk. R. u. G. V. 118 (anders die herrschende Meinung). Bestätigt, nicht widerlegt wird diese Auffassung durch den Zusatz in einer späteren Handschrift: -- Lediglich den Fahrnisnachlaß bezeichnet alodis auch im folgenden, der LSal. einverleibten Kapitel. Denn der intertiatio unterliegen nur bewegliche Sachen 2 Schon früh in frk. Zeit wurde infolge der Verstärkung des Privateigentums an Grund und Boden der Grundbesitz in den Begriff der alodis einbezogen, ohne daß zunächst die Fahrnis ausgeschieden worden wäre. Die alodis umfaßt daher nunmehr liegendes und fahrendes Gut. a In jüngeren Volksrechten bezeichnet alodis das ganze Vermögen -- Desgleichen im bair. u. alam. Volksrecht: -- Allgemein in merov. Formeln ,alodis" = liegendes und fahrendes Gut -- Teilungsvertrag -- Vergabung von Todes wegen unter Ehegatten bzw. Verlobten -- Mitunter erscheinen Unfreie für sich als Bestandteile der alodis -- Manchmal werden nur Grundstücke hervorgehoben: -- In einigen Formeln kann bereits überhaupt nur das Grundeigentum gemeint sein: b Wie in der LSal. (oben zu 1), so wird auch später das Wort alodis vorzugsweise für das Vermögen als Nachlaß gebraucht -- In der LRib. u. LThur. benennt es die hereditas (oben zu a). Oft wird ererbtes Gut als väterliche, mütterliche oder elterliche alodis bezeichnet: -- alodis als Gegenstand von Erbschaftsteilungen -- alodis als Gegenstand eines Erbstreites -- alodis nennt aber auch bei Vergabungen von Todes wegen der Verfügende sein Vermögen als künftigen Nachlaß -- Bei der gegenseitigen Vergabung unter Ehegatten -- Anerkennung der Unvererblichkeit eines Leiheguts c Aus dieser regelmäßigen Verwendung des Wortes für den Nachlaß entwickelt sich der Sprachgebrauch, innerhalb des Vermögens das ererbte Gut im Gegensatz zum erworbenen Gut als alodis zu bezeichnen. -- Häufig unter Verdeutlichung des Gegensatzes -- Sehr häufig aber drückt schon das einfache Wort alodis den Gegensatz zum erworbenen Gut aus -- So auch in alaman. u. bair. Gebieten -- Doch schloß dieser engere Begriff von alodis wohl niemals aus, unter alodis im weiteren Sinne das erworbene Gut mitzuverstehen 3 In der späteren frk. Zeit setzt ein neuer Sprachgebrauch ein, der unter Allod zuerst vorzugsweise und dann ausschließlich liegendes Gut versteht entsprechend der gleichzeitigen Begriffsverengung von eigen und erbe. Folgeerscheinung der sich entfaltenden wirtschaftlichen und rechtlichen Vormacht des Grundbesitzes, der nun als das Vermögen im wahren und vollen Sinne gilt. a Die Ausscheidung der Fahrnis begegnet in Kapitularien des 9. Jhs. -- Nicht mehr als Bestandteile des Allods, sondern als Pertinenzen eines Allods werden nun Unfreie aufgeführt: b Das Wort kann den gesamten Grundbesitz einer Person bezeichnen -- Insbesondere heißt auch das Königsgut Allod: c Überwiegend bezeichnet es das einzelne Grundstück als Gegenstand eines Rechtsverhältnisses, Rechtsgeschäftes oder Rechtsstreites. -- So in freilich unechten merov. Königsurkunden -- Deutlich in LBaiRubr. u. Eingang von Tit. 17, 3 (in Text II Tit. 42) S. 337, 339, 354, 439 -- Häufig in Kaiserurkunden von Otto I., Otto II. u. Heinrich II., die einen kirchlichen Besitzstand bestätigen -- Ebenso in zahlreichen Urkunden vom 12.-14. Jh. -- Im Einklang hiermit wird von mehreren Grundstücken das Wort im Plural gebraucht d Das Wort bezeichnet genau wie eigen sowohl das Grundstück als Eingentumsgegenstand wie das daran bestehende Eigentumsrecht. α Als Eigentumsgegenstand wird die alodis durch Zusätze wie propria oder propria res gekennzeichnet: β Das Eigentumsrecht wird durch das Wort ausgedrückt, wenn es von einem Grundstück heißt, daß es jemandem zu Allod gegeben oder hinterlassen sei 4 Seit der Verbreitung des abgeleiteten Besitzes an Grund und Boden trat im Begriff des Allods der Gegensatz zu unvollkommenerem Besitzrecht in den Vordergrund. a In karol. Zeit bildet die alodis den Gegensatz zum beneficium -- Entscheidend ist dabei vor allem der Mangel der Vererblichkeit -- In spätkarol. Zeit werden dem Allod die honores (ansehnlichere Benefizien, vgl. Waitz,VG. IV 216; Roth, BenefW. 432; Brunner,RG.2 II 355) entgegengesetzt -- Auch in österr. Urk. des 10.-12. Jhs. wird bei Vergabungen von Todes wegen hingegebenes Allod als lebenslängliches beneficium zurückempfangen -- Dem entspricht die Wiedergabe von Allod mit erbe b Buchland c Seit der Ausbildung des Lehnswesens wird Allod regelmäßig als Gegensatz zu feudum gebraucht -- So in den Libri feudorum -- Dem Gegensatz von allodium und feudum entspricht in den deutschen Texten des Mittelalters der Gegensatz von eigen und lehen. Begriffswesentlich ist dabei für Allod das echte Eigentum des Besitzers. Die bloße Vererblichkeit des Besitzrechtes reicht nicht aus, da auch das echte Lehen nunmehr vererblich ist und zum Erbgut gehört -- Demgemäß verschwindet nun die Gleichsetzung von Allod mit hereditas oder erbe. Dafür wird die Gleichsetzung mit proprietas oder eigen sehr gebräuchlich; oben 3 d. Auch die vollere Form eigen und erbe begegnet als Verdeutlichung: d Eine weitere Steigerung erfuhr der Begriff des Allods durch die Einschränkung auf lastenfreies Grundeigentum im Gegensatz zu allem belasteten Grundbesitz einschließlich von zinspflichtigem Eigen. Diese Erscheinung, die in Frankreich häufig auftritt (DuCange I 199) begegnet auch in deut. (bes. rhein.) Gegenden. Vgl. v.Amira,Grundr.3 123; Mayer,DFrzVG. I 46ff. -- Doch wird dieser engere Sinn oft durch einen lat. Zusatz verdeutlicht, der den deutschen Bezeichnungen lûter, vrie, dorslacht eigen u. dem franz. franc alleu (liberum o. francum allodium) entspricht -- Solche Zusätze zeigen, daß auch zinspflichtiges Grundeigentum immerhin Allod bleibt -- In Konstanz wird wachszinspflichtiges Allod durch den Zusatz censuale als Zinseigen charakterisiert e Das bloße Obereigentum an erblich verliehenem Gut scheint, weil es eben kein Volleigentum ist, im deut. MA. nicht als Allod bezeichnet zu sein, während es doch eigenschaft o. proprietas heißt. Ein Grundstück kann des einen lehen o. erbe u. des anderen eigen, nicht aber des einen Lehen o. Zinsgut u. des anderen Allod sein -- Zweifel erregen könnte eine Stelle aus dem Lehnbuch Werners II. von Bolanden S. 24 b. Aber vgl. die Übersetzung. Es ergibt sich, daß W., der als Grundherr den Zins fordert, sich an dem Grundstücke, wem es gehören möge, zwar Herrenrecht (als dominus) u. eigenschaft zuschreibt, dies aber nicht durch die Wendung, es sei sein allodium, ausdrücken kann 5 In manchen Gegenden blieb schließlich der Name Allod an einzelnen Güterarten o. Gütern haften. Das Verständnis für den eigentlichen Wortsinn ist dabei verloren gegangen. a Fronhof b Umgekehrt bedeutet in vielen Gegenden im 12. - 15. Jh. allodium ein Vorwerk, Außengut -- Der auffallende Sprachgebrauch erklärt sich wohl daraus, daß das Vorwerk, auf vorbehaltenem Herrenland neben verliehenen Hufen angelegt, diesen gegenüber als Teil des Allods bezeichnet wurde u. dann diesen Namen behielt, als er für den Herrenhof außer Gebrauch kam. c Bisweilen Gegensatz zu Neuland. Vielleicht handelt es sich um neu angelegte Kolonenhufen, die aus dem Allod ausscheiden d Manchmal werden bei Aufzählung der Besitzungen einer Kirche einzelne Güter unter Hinweis auf ihre Herkunft aus dem Besitz von Edlen mit dem Namen allodium ausgezeichnet. Dies läßt vermuten, daß hier an den konkreten Gütern der Name Allod haften geblieben war, obschon das gegenwärtige Besitzverhältnis an ihnen von dem an den andern Gütern nicht verschieden war: -- Vgl. auch die Betonung der Freiheit der Schenker von allodia e So erklärt es sich, daß vielfach auch Lehen und hofrechtliche Leihegüter den Namen allodium fortführen -- Aufzählung von Lehen unter allodia: -- Besonders deutlich sprechen die Verzeichnisse der der Brixener Kirche in Tirol gehörigen Güter u. ihrer Abgaben in der Hs. des liber prandiorum Brixensis aus 13. u. 14. Jh. Nach den von Bilger vorgelegten Auszügen werden zahlreiche Güter als allodium bezeichnet, ohne daß an ihnen ein besseres Besitzrecht ersichtlich wäre, als an den praedium, praediolum, mansus, huba o. auch feudolium genannten Gütern. Die vermerkten Zinsungen sind weder der Art noch dem Umfange nach verschieden. Daß es sich um Leihegüter handelt, erhellt oft mit Sicherheit. Vgl. die folgenden Belege. Die als allodia ausgezeichneten Güter sind in dem älteren Urbar viel zahlreicher als in den jüngeren Verzeichnissen und fehlen in einigen Bezirken ganz. Eine deutsche Fassung S. 120ff. setzt immer gůt o. hof, für allodium incultum stets ungepaewen gůt. Hiernach scheinen die allodia ehemalige Freiengüter zu sein, an denen der Name eine Zeitlang forthaftete, bis allmählich seine Bedeutung in Vergessenheit geriet. Dies meint auch Bilger. f In der Gemarkung von Rickenbach in S. Gallen ist sogar Allot zum Eigennamen eines Grundstückes geworden 6 Bei seiner Wiederbelebung nach der Rezeption empfing das Wort Allod seinen begrifflichen Inhalt lediglich aus dem auf Grund des langob. Lehnr. entwickelten Sprachgebrauch der Feudisten. a Seine eigentliche Bedeutung ist daher nunmehr "dem Lehnsverbande nicht unterworfenes Gut". α Das einfach Wort Allodium wird auch jetzt für ein einzelnes Grundstück (oder liegenschaftliches Recht) gebraucht -- Zugleich aber wird nunmehr als "das Allodium" das gesamte freie Vermögen des Vasallen bezeichnet -- Demgemäß nimmt der Begriff die Fahrnis wieder in sich auf β Das Adjektiv allodial drückt die Zugehörigkeit zum lehnsfreien Vermögen aus -- Vgl. über die Allodial-Reichs-Grafschaften -- Die allodialen Gegenstände werden auch als die Allodialia zusammengefaßt -- Früchte und Nutzungen des Lehns sind allodialien γ Sehr gebräuchlich wurde seit Ende 16. Jh. Allodialgut und für den Inbegriff des dem Lehnsverbande entzogenen Vermögens, Allodialgüter δ Seit dem 18. Jh. begegnet Allodialvermögen ε Im Gegensatz zu den Lehnerben ist nun von Allodialerben die Rede ζ Als Gegensatz zu Lehnsschulden erscheinen Allodialschulden η Für das Allod gilt anstatt Lehnrechts Allodialrecht b In neuerer Zeit wurde das Wort Allod mit seinen Ableitungen auch als Gegensatz zu dem Fideikommißvermögen für das freie Vermögen des Besitzes eines Familienfideikomisses gebraucht -- Anscheinend schon 1672 im Kurbair. Mand.: -- Durchweg gebr. im CMax. -- Dem PreußALR. u. ÖstABGB. ist dieser Sprachgebrauch fremd. Dagegen findet er sich in Gesetzen des 19. Jh. und in der Literatur c Eine analoge Anwendung des Wortes Allod begegnet bei Meiergütern für das dem Gutsherrn nicht gehörige, jedoch nur zum Teil freie, zum Teil mit dem Meiergut verbundene Vermögen des Meiers 7 In Siebenbürgen bezeichnet seit dem 18. Jh. allodium die Gemeinde als Vermögenssubjekt. Davon: allodiälkasz, allodiälrechnung, allodiälvermögen. Früher (16. Jh.) auch hier ein Landgut, insbesondere einen Meierhof. Die heutige Bedeutung scheint von den städtischen Einkünften aus Meierhöfen ihren Ausgang genommen zu haben. IV Ableitungen -- allodiones (pl.) für Miterben -- Schwerlich von alodis abgeleitet ist aloarii -- Dagegen stammt von alodis das Wort alodiarius (alodarius, aloerius, allodiarius), das später in roman. Ländern den Allodbesitzer bezeichnet -- In der Westschweiz begegnen allidotarii, allodleute als zum Allod gehörige Eigenleute -- Die lat. Ableitungen allodialis u. allodialiter begegnen in Deutschland zuerst im 13. u. 14. Jh. (vgl. Allod III 4 c und Allod III 4 d) u. gehen in der Neuzeit in der Form allodial in die deutschen Texte über (siehe Allod III 6 a β) |
Letzte Änderung | am 17.06.2020 durch HiWi |
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