LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe baro (RGA)

Wörterbuch Beck, Heinrich/Brather, Sebastian/Geuenich, Dieter/Heizmann, Wilhelm/Patzold, Steffen/Steuer, Heiko: Germanische Altertumskunde Online. Kulturgeschichte bis ins Frühmittelalter - Archäologie, Geschichte, Philologie. (2010). Berlin, Boston: De Gruyter.
Fundstelle Bd. 9
Inhalt

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Eine andere Prämisse, daß gemeingerm. Bezeichnungen unterschiedliche Bedeutungen aufweisen und somit auch keine identische Bedeutungsentwicklungen durchlaufen haben, bestätigt sich z. B. an Bezeichnungen wie baro und leod. Baro, verwandt mit an. berjas(k) ,streiten, schlagen, töten', hatte urspr. die Bedeutung ,streitbarer Mann, Krieger'. Auch hier wird somit ein kriegerischer Aspekt deutlich, die Waffenfähigkeit vielleicht als ein urspr. wesentliches Element germ. Freiheitsvorstellungen. Im Edictus Rothari (Leges Langobardorum) und im Pactus legis Salicae (Lex Salica) ist aus dem Verwendungszusammenhang, in dem das Wort steht, z. T. die urspr. Bedeutung noch zu erkennen. Neben der Waffenfähigkeit steht als urspr. bedeutungstragender Aspekt noch die Geschlechtszugehörigkeit. Dies zeigt sich in Bestimmungen des Pactus Alamannorum, der Lex Ribuaria und der Lex Romana Curiensis, in denen baro im Unterschied zu lat. femina gebraucht wird, aber auch in Übersetzungsgleichungen aus Texten des ags. und frk. Raumes, die baro synonym zu lat. vir ,Mann' verwenden. Beide Konnotationen wurden jedoch im Früh-MA, teilweise in denselben Texten, zunehmend überlagert durch eine eindeutige Einordnung des Wortes in den polit.-rechtlichen Kontext: baro ingenuus. Im Pactus Alamannorum wird durch den Zusatz minofledus eine Abstufung innerhalb der F.n, eine geminderte Freiheit aufgrund geringeren Vermögens, sichtbar.

[…]

Insgesamt zeigt sich hier eine Bedeutungsunsicherheit, die ihre Erklärung in der Veränderung der rechtlich-sozialen Verhältnisse während dieser Zeit findet. Belege aus Urk. und Kapitularien zeigen, daß mit dem 9. Jh. ein Ausdifferenzierungsprozeß nach oben hin stattgefunden hat. Im 11. Jh. tritt verstärkt der Aspekt der vasallitischen Bindung als bedeutungsbestimmend auf. Seit dem 16. Jh. wird baro bzw. baron - in dieser sprachlichen Form wird das Wort aus dem Frz. rückentlehnt - zur Bezeichnung für den Freiherrn, einen bestimmten Adelsstand. Die Bedeutungsverschiebung, die die Bezeichnung vor allem im Roman., aber auch im dt. Bereich (mnd. barun ,großer Herr geistlichen und weltlichen Standes') geprägt hat, hat ihre Gründe vor allem in der Veränderung der sozialen Verhältnisse vom Früh- zum Hoch-MA (Ablösung gefolgschaftlicher Elemente durch die Institution der Ministerialität).

Letzte Änderung am 18.06.2020 durch HiWi
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