LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe bein, bainberga, beinschrot (DWB)

Wörterbuch Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971.
Fundstelle Bd. 1, Sp. 1381-1385
Inhalt

bein, n. os ossis. eins der merkwürdigen wörter, mit welchen unsere sprache ganz für sich steht und von ihren urverwandten gesondert scheint, zugleich aber zeigen es alle deutschen zungen voll einstimmig. zwar das goth. bain konnte sich in keiner einzigen stelle der bruchstücke darbieten, im A. T. würde es oft begegnet sein; nun ist aber Luc. 17, 6 συκάμινος, morus verdeutscht bainabagms, worin man beinbaum erblicken darf, der Gothe dachte sich cornus, hartriegel darunter, einen baum, der rothe beeren trägt und noch heute beinholz, rothbeinholz heiszt, hornkirsche, cornus ossea. auch dies wort würde im A. T. wiederkehren. Luc. 19, 4 steht für συκομορέα smakkabagms, feigenbaum, Luther gibt an beiden stellen maulbeerbaum. da die steine der beeren und des obsts in vielen sprachen ossa genannt werden, so verbürgt uns bainabagms, dasz auch die Gothen das wort bain für os besaszen. ahd. pein, mhd. bein, altn. bein, alts. bên, nnl. been, schw. dän. ben, ags. bân, engl. bone. Zum gr. ὀστέον fügt sich lat. os ossis für ost ostis, skr. asthi und in allen sl. sprachen mit vortretendem K kost', böhm. kost, poln. kość, wie sich im lat. costa rippe der kehllaut erhielt. dem litt. kaulas, lett. kauls mag vielleicht das lat. caulis, der harte theil der pflanze verglichen werden. Unserm bein tritt aber schon frühe die jenem asthi, ὀστέον, os fremde bedeutung crus, tibia hinzu, da unter allen knochen des leibs die des schenkels und fuszes an grösze vorragen; läszt sie sich gleich im ags. hân, engl. bone, altn. bein selbst nicht aufweisen, so erscheint sie dennoch in den altn. zusammensetzungen berbeinn nudipes, miôbeinn gracilipes, rângbeinn laripes, ja man ist versucht, das verbum beina expedire, promere, das adj. beinn expeditus, rectus auf bein crus zurückzuführen. Die frage entspringt nun, wie sich beide begriffe, die des knochens und fuszes vereinbaren. für knochen bieten sich kaum andere vorstellungen dar, als der härte und weisze. beinhart ist auch steinhart, nach der eddischen kosmogonie wurde stein aus bein, nach der friesischen bein aus stein erschaffen, und wie die Griechen den harten obstkern ὀστέον, die Slaven kost', nennen wir ihn stein. man sagt, es hat stein und bein gefroren, das heiszt hart. noch mehr, die beiden wörter bein und stein sind, ihren anlaut abgerechnet, auffallend gleicher bildung. für wurzelhaft mag in bein nur das B, in stein nur das ST gelten. da nun Bopp dem skr. asthi mit vollem fug die wurzel sthâ stare beilegt, könnte sie ebenwol in stains enthalten sein, folglich dem asthi, ὀστέον das deutsche stein entsprechen, und übrig bliebe, auch für bein eine taugende ableitung zu entdecken. λευκὰ ὀστέα ist bei Homer ein ständiges episches epitheton, die nackten, gebleichten, weiszen todtenbeine leuchten auf dem gefilde, die weiszen zähne glänzen in dem mund:

von snêwîʒem beine nâhe bî einander kleine sus stuonden ir die liehten zene. Parz. 130, 11; altn. sagt man hvîtbeinn, albipes; bein aber gemahnt an φανός weisz, licht und an φαίνω, ans ir. gal. ban und fion weisz, welsche gwen, die lautverschiebung wäre in ordnung (vgl.φήνη unter beinbrecher). Dennoch würde man, wenn die bedeutung des schreitenden beines als von anfang an berechtigt zu erweisen stände, den parallelismus von stehen, στῆναι und gehen, βαίνειν für stein und bein sich gefallen lassen, die vorstellung des stehens und gehens ist lebendiger, als die der härte und weisze. dann aber müste zuerst nicht nur bein den gehenden fusz, sondern auch asthi den stehenden ausgedrückt haben, obschon bei diesem und bei unserm stein gar nicht mehr an fusz gedacht wird. in unsrer sprachgeschichte erscheint für bein die bedeutung des knochens älter. A. bein, os, knochen, die härtesten, festesten theile des menschlichen und thierischen leibs, im gegensatz zu fleisch und blut. [Bd. 1, Sp. 1382]

Letzte Änderung am 02.08.2017 durch HiWi
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