LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe rachinburgius (RGA)

Wörterbuch Beck, Heinrich/Brather, Sebastian/Geuenich, Dieter/Heizmann, Wilhelm/Patzold, Steffen/Steuer, Heiko: Germanische Altertumskunde Online. Kulturgeschichte bis ins Frühmittelalter - Archäologie, Geschichte, Philologie. (2010). Berlin, Boston: De Gruyter.
Fundstelle Bd. 24
Inhalt

Rachinburgen: Nach der Lex Salica (Pactus Tit. 50 § 3, 57 § 1) und verwandten frk.RQu. (Leges; Kapitularien), nach Urk. und Formelslg. handelt es sich bei den 'Rachinbürgen', 'Ratbürgen' um ein meist siebenköpfiges Gremium, das im Gericht (Gerichtsverfahren; Gerichtsverfassung) bei der Urteilsfindung mitzuwirken und/oder den Richter oder Grafen bei der Durchsetzung des Urteils zu unterstützen hatte (12). Mit der zw. 770 und 780 von Karl dem Großen vorgenommenen Reform der Gerichte wurden die R. durch das ständige Gremium der Urteilsfinder, mlat. scabini 'Schöffen', ersetzt (13). Je nachdem, ob man das Amt der R. mehr auf genossenschaftliche oder herrschaftliche Wurzeln zurückführte, sah man ihre Funktion primär in der Urteilsfindung oder in der Durchsetzung (17; 19). Übereinstimmung herrschte darüber, daß Kern ihrer Tätigkeit die Beratung gewesen ist. Diese These kann durch die Etym. des Wortes gestützt und durch weiterführende Belege ergänzt werden (5). Das Grundwort ist auf ein westgerm. *burgjōn 'Schützer' zurückzuführen, das auch as. burgio, altfrk. burgo , ae. byrgea, ahd. burgo zugrunde liegt. Urspr. dürfte es sich um eine Art ' Treuhänder' gehandelt haben, der dafür bürgte, daß der Verfolger seine Tat sühnte oder sich der Rache stellte (10). Das Bestimmungswort wird kontrovers beurteilt. Aufgrund der Schreibungen rachineburgius, racimburgius, rachimburgius u. ä. hat man an altfrk. raka, ahd. racha Fem. 'Angelegenheit, Sache, Rechenschaft' (15) als Grundlage gedacht (7) und in den R. 'Rechenbürgen' gesehen (2), die für die Festlegung und Eintreibung der Bußen und Wergelder (Wergeld) zu sorgen hatten. Die Schreibungen -c-, -ch- können indessen auch als phonetische Umsetzung eines spirantisch gesprochenen oder gehörten -g- durch roman. Schreiber erklärt werden (6). Dann ist das Bestimmungswort zu got. ragin Neutr. 'Meinungsäußerung vor dem Beschluß' zu stellen, zu dem auch Personenbezeichnungen wie ragineis Pl. 'Ratgeber' gehören (3). Mit aisl. regin Neutr. Pl. 'die herrschenden Götter' (1), as. regino giscapu Neutr. Pl. 'von den Göttern verhängtes Geschick` (9) und ahd. regin- 'von der Vorsehung bestimmt', mit ahd. reginplint 'ganz blind' (16) reicht das Wort in eine frühe, archaische Schicht zurück, in der Recht und Kult noch dicht beieinander lagen (8; 14). Der Zusammenhang reicht bis in die schriftliche Überlieferung hinein: In dem bereits karol. 100-Titel-Text der Lex Salica (8. Jh.) werden in der Malbergischen Glosse (Tit. 78 §§ 1.2; Malbergische Glossen) presbiter und diaconus durch *theo ragine 'servus dei' glossiert [...].

Letzte Änderung am 21.11.2018 durch Anette Kremer
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