LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe lita, litus (RGA)

Wörterbuch Beck, Heinrich/Brather, Sebastian/Geuenich, Dieter/Heizmann, Wilhelm/Patzold, Steffen/Steuer, Heiko: Germanische Altertumskunde Online. Kulturgeschichte bis ins Frühmittelalter - Archäologie, Geschichte, Philologie. (2010). Berlin, Boston: De Gruyter.
Fundstelle Bd. 18
Inhalt

Lite

§1 In der germ. Gesetzgebung des 5.-10. Jh.s und in Urk. des 8.-12. Jh.s werden die ,Halb- oder Minderfreien` mit dem frankolat. letus/ledus oder dem latinisierten Wort litus bezeichnet. Es handelt sich hier um ein urspr. frk. Wort, das am Ende der Spätant. bereits in die lat. Sprache übernommen worden ist (9, 165; 16, 161 ff.). Franko-lat. lêtus gehört in denselben sprachlichen Kontext wie got. fralêts, ahd. bair. frîlâz , ae. friolâta, ahd., as. lâz. Es ist auf eine germ. Grdf. *lêt zurückzuführen […]

§2 In allen Leges werden mit liti sowohl männliche als auch weibliche Erwachsene (Heiratsfähige) bezeichnet. Lediglich in der Lex Frisionum (MGHLL III, 631-711) wird in den Titeln XI § 3 und II §§ 5, 8, die den gerichtlichen Zweikampf und die Fehde behandeln, die Waffenfähigkeit der männlichen liti angesprochen, woraus sich auch deren Heeresfähigkeit folgern läßt. In der alem. Gesetzgebung (MGHLL nat. Germ. V,1, Tit. 17 § 6 und 18 § 5) drückt sich die Höherbewertung der (gebärfähigen) Frau, dies gilt sowohl für die ingenua, die lita als auch die ancilla, im doppelten Bußsatz gegenüber den Männern aus [...]. Die Höherbewertung der Frau, gleichgültig, welchen sozialen Status sie hat, setzt eine Sichtweise voraus, die in erster Linie die Erhaltung und das Wachsen des gesamten ethnischen Verbandes im Blick hat. An den letus-Belegen zeigt sich aber ganz deutlich auch noch eine Sichtweise, die zunehmend die Entwicklung und Festigung bestimmter sozialer Schichten begünstigt. Dies zeigt sich in den unterschiedlichen Leges jeweils in anderer Weise: In der Lex Salica werden unter liti nicht nur Freigelassene, sondern Menschen mit ganz unterschiedlichem sozialen Status verstanden, somit ist auch erklärlich, daß es keine eigene Bezeichnung für das Wergeld der L.n gibt (17, 245). Der L.n-Status scheint hier allg. noch nicht als eine so gefestigte (soziale und) rechtliche Bezugsgröße zu gelten, wie beispielsweise der Status der liberi. Erst in den Zusatzbestimmungen (P. L. S., Tit. 117 § 1) wird das Wergeld des puer regius und des libertus, die an anderer Stelle als liti bezeichnet werden, als die Hälfte des Freienwergeldes (100 solidi) festgesetzt. In der salfrk. Gesetzgebung zeigt sich in den ält. Fassungen die Tendenz des L.n zum Status des servus (Servus), des Unfreien (Unfreie), dagegen wird in den jüng. Fassungen eine Aufwertung in Richtung auf die Freien deutlich [...]. Neben den Leges belegen v. a. Traditions- und Immunitätsurk. das Wort litus. Die frühesten Belege begegnen in Traditionsurk. (Echternach a. 706, Fulda, Hersfeld, Corvey 2. Hälfte des 8. Jh.s, vgl. 3; 1, 46 ff.). Hier läßt sich der rechtlich-soziale Status der L.n nicht eindeutig zuordnen: Die L.n erschienen als Inhaber von Land und Vieh, z. T. aber auch als Gesinde. In allen Fällen sind die mit liti bezeichneten Personen von einem dominus, dem Tradenten, abhängig. Die Immunitätsurk. - wie die Traditionsurk. im wesentlichen aus dem nw-dt. Raum - überliefern das Wort litus seit dem Beginn des 9. Jh.s. Die L.n erscheinen hier als ein deutlich von den ingenui/liberi abgegrenzter Personenkreis, der Übergang zu den servi ist eher fließend [...].

Letzte Änderung am 06.04.2020 durch HiWi
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