LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe baiwarius (RGA)

Wörterbuch Beck, Heinrich/Brather, Sebastian/Geuenich, Dieter/Heizmann, Wilhelm/Patzold, Steffen/Steuer, Heiko: Germanische Altertumskunde Online. Kulturgeschichte bis ins Frühmittelalter - Archäologie, Geschichte, Philologie. (2010). Berlin, Boston: De Gruyter.
Fundstelle Bd. 1
Inhalt

Die ältesten Bezeugungen des Baiern-Namens bei lateinischen Autoren Baibaros (Jordanes, mit lautsubstituierendem b), Baioarios (Venantius Fortunatus, mit substituierendem o) und die heimischen Belege des Ahd. Peigira, Peigiro (mit dem Übergangslaut g) erweisen als vorliterarische Formen Baiwari < *Bai(a)warjōz [...]. Sprachlich befriedigend ist immer noch die alte, schon von K. Zeuß vertretene Verbindung mit dem Namen der keltischen Boii, die Baiern also als Bewohner eines einst von den Boii besiedelten Landes bzw. als Nachkommen der in Böhmen wohnenden Völker. Tacitus spricht von Boihaemum, Velleius Paterculus von Boiohaemum, eine Benennung, die im Zweitglied ohne Zweifel den wanderungs- und vorwanderungszeitlichen Raumnamen germ. *haim- enthält. Im Bestimmungswort steckt der Name der Boii, der germanisch eigentlich *Bai- lautete, so wie ein ahd. Bēheima lautlich ein *Bai-haim- voraussetzt. Die germanische Form des Volksnamens, die and.Bēheima „die Böhmen“ fordert, lautet *Baihaimōz. Im neuhochdeutschen Landschaftsnamen Böhmen lebt der Dativ pluralis des Volksnamens weiter. Dieses mit großer Wahrscheinlichkeit erschlossene *Baihaimōz macht es möglich, den Namen der Baiern (wie schon oben angedeutet) über *Bai(a)-warjōz auf *Bai(a)-haimwarjōz, Nachkommen der in *Bai(a)-haim Wohnenden, zurückführen [...]. Sprachlich zeigt das Bairische nahe Beziehungen zum Alem. und Langobard., mit denen zusammen es das Oberdeutsche ausmacht. Allerdings sind die Unterschiede zum Alem., so wie sie in der beginnenden schriftlichen Überlieferung faßbar werden, sehr gering. Erst im Laufe der folgenden Jahrhunderte bildet sich das Bairische heraus, so daß um 1300 der Lautstand des heutigen Dialekts erreicht war. Von altertümlicherer Gestalt ist dem Alem.-Bair. gegenüber das Langobard [...]. Der von einem neuen Einheitsbewußtsein geprägte bair. Stamm gerät in der Folgezeit in verschiedene sprachliche Einflußbereiche. Ostgermanischer Einfluß macht sich in Lehnwörtern bemerkbar, die das Bairische z. T. bis auf den heutigen Tag bewahrt: Ergetag „Dienstag“ (aus got.arjausdags, wohl „Tag des Arius“), Pfinztag „Donnerstag“ (aus got.*pintadags, „der fünfte Tag“ — vom Sabbat an gerechnet), Maut „Zoll“ (aus got.mota) u. a. Der ostgermanische Einfluß reicht z. T. weit über das Bair. hinaus, wie etwa die Lehnwörter Pfaffe, Samstag, taufen u. a. beweisen, doch nimmt das Bair. hier insofern eine Sonderstellung ein, als hier der Einfluß am stärksten und die Beharrlichkeit im Bewahren am größten war [...]. Von der sprachlichen Seite her weist der Typus des Namens Baiovarii seine Träger durch das -varii-Suffix als Bewohner eines Landes bzw. als Nachfolger eines anderen Volkes in deren vormaligen Sitzen aus (Schönfeld, Wb., 183); diese Charakterisierung des Stammes nach geographischen Kriterien und nicht nach seiner ethnischen Zugehörigkeit hat die neuere Forschung eine ethnisch heterogene Zusammensetzung der B. vermuten lassen (vgl. § 1) [...]. Als Zeitpunkt für die Herausbildung des bajuw. Stammes kommt möglicherweise bereits die Zeit des Theoderich, oder aber die der fränkischen Expansion unter Theuderich I. und seinem Sohn Theudebert I. (511-548) in Frage. Jedenfalls erfolgte die bajuw. Herrschaftsbildung und Siedlung in den einst römischen Provinzen auf friedliche Weise und offenbar mit Billigung der mächtigen Nachbarstämme. Die erste Siedlungsphase der B. bzw. des ortsnamenskundlich und archäologisch faßbaren germanischen Superstrats, konzentrierte sich im Südosten im Raum zwischen Inn, Traun und Salzach, im Westen wurde, zunächst den Flußläufen folgend, das Gebiet zwischen Donaubogen und Voralpenland erschlossen, seitlich begrenzt durch Lech und Inn, eine Zweiteilung, die noch bis ins 8. Jh. nachwirkte. (G. Diepolder, Die Orts- und in pago-Nennungen, Zeitschr. f. Bayer. Landesgesch. 20, 1957, S. 364-436) [...].

Letzte Änderung am 11.01.2018 durch V.S.
Link http://www.degruyter.com/view/GAO/RGA_401
Lemmata