LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe grafio (GGLVO)

Wörterbuch Westenrieder, Laurentius de: Glossarium Germanico-Latinum Vocum Obsoletarum Primi Et Medii Aevi, Inprimis Bavaricarum. Tomus Prior. Monachii (München): Zangl 1816.
Fundstelle S. 213-215
Inhalt

GRAF, comes, wird vom Comitari, begleiten, hergeleitet, weil der Landesfürst, wenn er in den Gauen herumzog, um in denselben Gericht zu halten, sich von vornehmen in dem Gericht hausgeseßnen Freyen zu dem Ende begleiten ließ, daß sie ihm die besondern Gewohnheiten, Herkommen und Rechte ihres Gaues vorlegen, und dadurch die gerechte Entscheidung eines jeden vorgefallnen Streits bestimmen möchten. Weil natürlicher Weise der Landesherr zu seinem Zweck nur solche Freye brauchen konnte, welche eine hinlängliche Kenntniß und Erfahrung besaßen, so wählte er dazu meistens bejahrte Männer, welche schon ‚graue Haare hatten, wovon von einigen das Wort Grau, oder ‚Grav, Graf, Grafio, Gravio, Graphio abgeleitet wird, Andere leiten das Wort Graf ab von gräven, graben, grafen, indem die gräfliche Richter das Urtheil schreiben, das ist, eingraben mußten. (Lunigius in Thesaur. com. oliv. Vredius in Hist. comitum flandriae. part. I. pag. 109.) Ein Graf hieß auch Praeses in mitt- ‚lern Zeiten. Judex. publicus. ‚(Neue ..akad. Abh. Bd. 2.8. 275. 276.279.) Comes provincialis war der herzogliche Richter. Der Bezirk eines Grafen hieß Comitium, Ministerium, der Amtbezirk. (Sieh: Comitatus.) Die Gaugrafen waren überhaupt, wie ihre Gauen oder Distrikte, in größere und kleinere abgetheilt, und so waren es auch ihre Einkünfte. Gewöhnlich hatten sie nebst freyer Wohnung, und Naturalien, auch das Neuntl von Strafen. Ein Gaugraf hatte, wo sichs füglich thun ließ, in den ältesten Zeiten 1200 freye, Familien, oder 12 Centen oder Zenten (sieh: centen), deren jeder aus 10 Decanaten oder Dorfschaften bestand, unter sich. Zuweilen wurde über Gaugrafen wieder ein allgemeinerer Graf bestellt, welcher, wenn er in der Mitte eines Landes lag, Landgraf, wenn er ‚aber an den Gränzen eines Landes war, der Gränz- oder Markgraf genannt wurde.

Letzte Änderung am 01.07.2020 durch HiWi
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