LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe hant, haisterahant, handegawerc, handradum, hantalôd, hantfestî(n), hantrada (DWB)

Wörterbuch Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971.
Fundstelle Bd. 10, Sp. 324-364
Inhalt

hand , f. manus. A. Formelles und etymologisches. Die älteste deutsche form des wortes, im gothischen gewährt, ist handus; dieselbe hat sich am besten noch im altnordischen hönd aus handu erhalten, in dem allen niederdeutschen sprachen gemeinsamen hand, sowie in dem ahd. mhd. hant aber ihres characteristischen auslauts ganz entledigt. das wort tritt im hochdeutschen in die i-declination über und entwickelt daher im plural, in der ältern sprache auch im dat. gen. des singulars, umlaut, nicht ohne dasz jedoch von dem ältern declinationsverhältnisse spuren bis in die heutige sprache hinein bleiben, die sich in dem fehlen des umlauts an der betreffenden casusform geltend machen. der gen. sing., ahd. henti, lautete mhd. hende, woneben sich eine erstarrte, von dem nom. hant nicht unterschiedene form ausbildete, die unserer heutigen genitivform zu grunde liegt; daneben steht indes auch eine alte, dem goth. handaus verwandte, aber durch abfall des casuszeichens s und schwächung des auslauts zurückgegangene form hande, bis in die nhd. zeit hinein dauernd, und namentlich dann verwendet, wenn hand art, weise bedeutet, vgl. unten IV, 2. gleiche formen hat der dat. sing., neben hand ist hande (goth. handau) dem ältern nhd. nicht ungewöhnlich: was zog er von seiner hande? von gold ein fingerlein. Vilmar volksl. 129, 14, namentlich in der adverbial gewordenen verbindung zu hande: zu hande gehorchen (confestim obtemperare). Frontin v. Tacius bei Fronsp. 3, 229a; darnach tot man z hande den Hagenbacher schier. Liliencron volksl. 2, 28, 5; daneben häufiger die form hende, gekürzt hend, die noch durch das 16. jahrh. hindurch dauert: in der hende. Bocc. 1, 70b; was trag ich auf der hende? Uhland volksl. 587; er nam sie bei der hende, bei ir schneweiszen hand, er fürt sie an ein ende, do er ein gertlein fand. 672; und eh ein unglück hat ein endt, ist schon ein anders vor der hendt. H. Sachs 3, 1, 237b; richt ahn, das dich potz marter schent! wil dir denn nichts gehn ausz der hendt? 237d; was hat sie an ir hende? von gold ein ringelein. Gödeke u. Tittmann liederb. 47, 19; die blatern, die sie (die sonne) euch nun brennt, und die ir schaffet inn der hend, werden euch dienen noch zum rhm. Fischart glückh. schiff (Gödeke d. dicht. 1, 194a, 12). vergl. auch behende 1, 1336. Der gewöhnlichen form des nom. acc. ahd. hentî, mhd. hende, nhd. hände, bis ins 17. jahrh. auch hende geschrieben, gekürzt hend: das er ihnen unter die hend .. gerhiet. Garg. 131b, steht bei Opitz hande vereinzelt gegenüber, das er aber nur in der übersetzung von Grotius' wahrheit der christl. religion wagt, und auch nur im reime, offenbar durch das holländische original beeinfluszt: und dieses ist der bund, so durch des Moses hande darnach besiegelt ist mit weit mehr andrem pfande. s. 387; von euch wird fest geglaubt, dasz über viel heilande soll ein gesalbeter auch kommen, dessen hande euch bringen sollen glück und fried und volle huld. s. 388; während auszerhalb des reimes, z. b. s. 362. 406 das ihm auch sonst allein gerechte umgelautete hände steht. eben auch vereinzelt ist eine schwache pluralform händen: in der kraft meiner händen. Klinger theater 3, 111, die auch sonst zu dem sprachgebrauche dieses dichters und zu dem ebenfalls gewagten die früchten 3, 114, die steinen 3, 124 stimmt. Neben der dativform händen, mhd. henden, ahd. hentin, hantin, steht, noch im nhd. nicht unhäufig, wenn auch im gebrauche eingeschränkt, das unumgelautete handen, ahd. hantum, hantun, als deutlichster rest der alten u-flexion. es wird von den ältesten zeiten des nhd. her nicht verwendet, wenn das wort in ganzer sinnlicher kraft steht, und das bei Opitz gewährte, vereinzelte: der samarit, nicht wert von Petrus handen zu werden angerührt. H. Grotius wahrheit, s. 368, ist nach dem oben gesagten zu beurtheilen; wol aber in einer reihe durch praepositionen eingeleiteter stehender formeln, in denen die sinnliche bedeutung des wortes zurücktritt, und die meistentheils rein adverbial empfunden werden, wie daraus hervorgeht, dasz sie auch stehen, wo man eine accusativform erwarten müste (unten b, d, h). die umgelautete form händen ist in solchen verbindungen die seltenere. es sind: a) bei handen (vergl. die zusammengerückte form beihanden 1, 1373): lug, hab allzeit solch prob bei handen, so kömpstu nimmermehr zu schanden. grobianus (Erfurt 1552) c 4a; gern hätten uns die guten männer einen abdruck mitgegeben, es war aber nichts bei handen, was zu irgend einer art von form tauglich gewesen wäre. Göthe 28, 120. b) vor handen: als ob er selbst (der feldherr) vor augen und handen wer. Wilw. v. Schaumb. 106, es ist hier noch ganz sinnlich gedacht, gleichsam greifbar; nicht mehr so im folgenden: ich hab ein gescheft vor handen. Bocc. 2, 74a; ir unrüwig leut, sind ir aber vor handen? Wickram rollw. 19, 23 Kurz; wie er wider den türken ein zg vor handen hat. ein christenl. zug wider den Türken C 4b; vergl. unten II, 1, h, und vorhanden. ganz ohne gefühl für den casus ist die verbindung gesetzt: menschen musz stets viel gefahr, creuz und leid für handen gehn. Opitz 1, 282, die so sie (die poeten) als ein leichtes ding vor handen zu nehmen unbedacht sich unterstehen, abzuhalten. poeterei vorrede A 2. c) ob handen, wie vor handen, in die bedeutung da, gegenwärtig, übergegangen, auch zusammengerückt obhanden geschrieben: es muszte länger gekocht werden, besonders wenn sauerkraut ob handen war. J. Gotthelf schuldenb. 83;

wie manch und vielerlei blutmordspektakel ihm der juden tyrannei an dir zu sehn gedacht, schien dir als gott obhanden. Scultetus bei Lessing 8, 299, davon das adjectiv obhanden: die obhandene gefahr. Schm. 2, 203. d) unter handen, oft zusammengerückt unterhanden geschrieben: Rudiger ist mir ab gestanden, ein andern han ich unter handen, der ist ein stolzer jüngling. fastn. sp. 549, 4; indessen aber hatte ich auch drei doppelhaken .. unterhanden. Simpl. 1, 287 Kurz; es ist schon wol zwanzig jahr, .. da hatte man diese sach auch schon unterhanden. 3, 312; ich erinnere dich deszjenigen, so du unterhanden hast, mit bedachtem mut zu thun. buch der liebe 208b; dasz ich die continuation (des buches) unter handen hab. Schuppius 587. Göthe wendet hier die umgelautete form an: wer seine sache empfiehlt, musz sie doch jemand empfehlen, und wem empföhle man sie besser als dem der sie unter händen hat. 26, 132; bedenke man zunächst, dasz seine mehresten werke ihm nicht lange unter händen waren. 37, 91. auch hier, wie bei b bleibt die als adverbium gefühlte dativische verbindung, wenn das folgende verbum auch einen accusativ verlangt: was ihn (den wild gewordenen pferden) unter handen kam, rannten sie zu boden. buch der liebe 226d; sorgen, so der liebe gott mir zugeschickt und unter handen hat stoszen lassen. Schweinichen 3, 242; sorgen, so mir das vergangene jar unterhanden gestoszen. 243. e) zu handen, zuhanden: nam seinen spiesz zuhanden. Aimon bog. 5; der ritter .. sein spär zu handen nam. Galmy 323; als nun Reymund sahe das grosz ungefell, das im zuhanden gangen was. buch d. liebe 263c; das ungefell, das mir zu handen gangen ist. 264a; lieber die gefährliche schlacht, dann den heilsamen verzug wöllen zu handen nemen. Fronsp. kriegsb. 3, 137b; meinen (gerichtsstab) wider zuhanden möcht nemmen. Kirchhof milit. discipl. 227; so mir auf einmal zugleich, neben dem verlangen ihn zu kennen, und den willen ihme zu dienen, zu handen gegeben. Butschky hd. kanzl. 39; wann alle deutsche für ihr vaterland sich recht fridlich vereinbahren möchten, so wirde zweifels ohne noch wohl etwas auszurichten und das entzogene wider zu handen zu bringen sein. s. 360; wann ich erwege, was dir noch zuhanden stoszen wird. unwürd. doctor 817; denselben morgen aber, da ihr solches zu handen gestoszen. Grimm deutsche sagen no. 176; nachdem sie die schönen frauen, die er zum staate mit sich führte, nebst allen kostbarkeiten, die er bei sich hatte, zu handen genommen. Wieland 6, 76; den geschäften des fürsten nicht allein, sondern auch der erziehung der kinder sollte nun Schlosser wo nicht vorstehen, doch mit rath und that willig zu handen sein. Göthe 25, 83; nun aber kam die kritik der urtheilskraft (Kants buch) mir zu handen. 50, 52; verschiedene bücher sind uns ungeachtet aller bemühungen nicht zu handen gekommen. 53, 8; mir sind nicht alle documente dieses wichtigen ereignisses zu handen gekommen. 54, 206; so stöst mir, gott erbarms, das gröste noch zu handen. Fleming 116; kein leid stöszt mir zwar zu handen. 398; habt ihr doch vielleicht verstanden, was der Venus gieng zu handen, da sie den Adonis liebte. Logau 3, 99, 10; fünf tausend kronen wären mir zu handen. Göthe 41, 69. In dieser formel ist das umgelautete händen nicht so gewöhnlich: es ist uns ein exemplar unsers dichters (des Logau) zu händen gekommen, das sich aus der Stollischen bibliothek herschreibt. Lessing 5, 108. das adverbiale der fügung tritt zurück, wenn ihr ein possessivum oder ein näher bestimmender genitiv beigesellt ist: er erkant wol, das er Montabon .. mit gewalt niemmer z seinen henden brecht. Aimon bog. x iij; auch hier wird indes, selbst von neuern, die unumgelautete dativform gesetzt: der seiner grösze zu des rechtes handen sich so entäuszert. Shakesp. könig Heinrich IV, 2, 5, 2; that would deliver up his greatness so into the hands of justice; herr, meine seel zu deinen handen ich empfehl. Uhland ged. 415. f) aus handen: welches ich als ein sonderbares kleinod, ausz handen eines groszen und gottsfürchtigen reichsfürsten empfangen. Schuppius 267; des herrn vettern rath, dem ich disz orts nicht ausz handen gehen .. werde. Simpl. 4, 41 Kurz. daneben öfter aus händen: weil dennoch meinem grosg. hn. belibet, solche unreife früchte (reimzeilen) zu kosten, habe demselben ich nicht entsein, noch aus händen gehen können. Butschky hd. kanzl. 165; so liesz er keine gelegenheit aus händen. Bünau 1, 80; noch die gelegenheit die Römer zu züchtigen, aus händen gelassen haben. 1, 147; ich feilschte schon 4 wochen darum, konnte es aber doch am ende nicht aus händen lassen. Göthe an Voigt 369. g) von handen: die arbeit geht ihm schnell von handen; von handen lassen. Reuchlin augensp. 13b. auch ab handen, s. DWB abhanden 1, 54. h) an handen, eine von Göthe besonders bevorzugte fügung, findet sich, entgegen der 1, 366 geäuszerten ansicht, gerade in verbindung mit verben, die sonst den accusativ an die hand, an die hände fordern, nämlich mit geben und gehen, ist also nur noch adverbial gefühlt, und demnach öfters auch anhanden geschrieben: wenn uns nicht jemand ein sehr genaues und vollständiges ideal anhanden geben will. Siegfr. v. Lindenb. 3, 12; gott erweckt seinen auserwehlten immer herzen, die mit pflege und hülfe ihnen an handen gehen. Scriver seelensch. 2, 76; sie zeigte sich überall thätig und ging der mutter in allem an handen. Göthe 25, 346; dieser unermüdliche kunstfreund .. beschäftigt und begünstigt mehrere sich entwickelnde talente, unter welchen hr. Wendelstädt ihm unmittelbar an handen geht. 43, 346; wobei ihm die gebildeten schon als unterlehrer an handen gingen. 352; eine unzählbare menschenmasse, durch alle grade der geschicklichkeit, dem meister an handen gehend. s. 434; dasz sowohl directoren als custoden sich wechselsweise .. an handen gehen und das nöthige einander mittheilen. 55, 162; er gesellte sich gar bald zu uns, die sich freuten, ihm an handen zu gehen. 58, 94. i) ähnlich steht in handen, in händen nicht nur in verbindung mit verben, die den dativ fordern: in handen und gewalt des bapsts stünde. Luther 6, 328a; nur hat die bestätigung jenem gefehlt, die habt ihr nun kostlich in händen. Göthe 1, 227; als der knabe nach der schule das pennal in händen ging. 4, 108; sondern auch mit verben, die den acc. nach sich ziehen: der herr gibts oft andern menschen in händen, was zu unser nothdurft dienlich ist. Scriver seelensch. 2, 216. hand ist etymologisch zusammengestellt mit dem goth. verbum hinþan, was nur in den zusammensetzungen frahinþan und ushinþan gefangen nehmen vorkommt, und als greifende, fassende gedeutet worden. allein die bedeutung von hinþan wird nicht vom greifen, sondern von dem gefangen fortführen, bergen ausgehen, wie aus dem goth. hunþ-s αἰκμαλωσία Eph. 4, 8, ags. hûð, ahd. hunda, mhd. gehünde beute hervorgeht, hinþan ist das sanskr. ćat verbergen (Böhtl.-Roth 2, 926); ein mit dieser verbalwurzel zusammenhängendes adjectiv ćatura schnell, rasch, geschickt, gewandt, verschmitzt (das. 927) führt zunächst auf ein substantiv ćatu (wie madhura süsz, honigbegabt auf madhu), was bis auf den nasal genau zu goth. handu-s stimmen und dem worte etwa den grundbegriff der gewandten, geschickten, beweglichen, verleihen würde.

Letzte Änderung am 05.02.2018 durch V.S.
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