LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe glas(a)ougi (DWB)

Wörterbuch Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971.
Fundstelle Bd. 7, Sp. 7671-7673
Inhalt

glasauge, gläs(s)auge, gleszauge, n. 1) vom natürlichen auge, meist des menschen und des pferdes. in wie weit ursprünglich zusammensetzung mit glas vitrum vorliegt, ist nicht in jedem einzelfall zweifellos. neben glasauge steht in der bedeutung 'glänzendes, starrendes auge' auch die form gläs(s)-, gleszauge (bes. im mundartlichen gebrauch, s. u.), die auf zusammenhang mit gläs(s)en weist (s. u. 2glasen, vgl. auch glarauge neben glarren) und in der die beziehung auf glas vitrum wohl erst sekundäre vermischung ist. in der anwendung auf ein durch weisze flecken und narben entstelltes auge ist die beziehung auf glas vitrum schon im ältesten beleg gegeben (vgl. auch Fischer schwäb. 3, 671), wohl derart, dasz solche augen in ihrem aussehen an trübes (milchiges?) glas erinnern: (homo ... si caecus fuerit ... si lippus,) si albuginem habens in oculo clasaugi habenti (8.-9. jh.) ahd. gl. 1, 353, 59 St.-S. (zu Lev. 21, 20); si enim visus tactus fuerit de oculo, ita ut quasi vitro remaneat, quod Alamanni glasaugi dicunt, 20 solidos componat (hs. d. 9. jh.) leges Alamannorum 119 Lehmann; vgl. dazu im mhd. die adject. bildung glaseöuge von einem erkrankten auge, wohl durch grauen star, der die pupille weiszlich aufschimmern läszt: daz er erblindet oder sus boesiu ougen gewinnet, sûröuge oder glaseöuge oder starblint Berthold v. Regensburg 1, 433 Pf.; vgl. mnd. glasôge starblindes auge Lasch-Borchling 1, 2, 119. auch glasauge 'auge mit glasähnlichem, blinden ring (greisenring, gerontoxon) um den stern herum' Höfler krankheitsnamenbuch 21a; mnd. glasôge Lasch-Borchling a. a. o. — auf ähnlichem eindruck beruht die anwendung von glasauge auf bestimmte, hellfarbige, insbes. weisze pferdeaugen, vgl. gläs-, glesauge, DWB glasauge 'weiszes auge bei pferden und hunden' Staub-Tobler schweiz. id. 1, 136; glässaug(e) ... 'hervorstehendes, hellfarbiges auge, bes. bei pferden mit stahlgrauen augen ... name eines ochsen' Fischer schwäb. 3, 671; glasauge 'auge welches um die pupille einen dem glas ähnlichen oder glasfarbigen ring hat, der den gröszten teil des augapfels einnimmt, bes. bey pferden' Krünitz 18, 680; glasauge 'von pferden, occhio vajato' Jagemann (1799) 523; Campe 2, 384b; glasoge 'aschfärbiges auge, das oft mit einem braunen gepaart ist, dergleichen pferde zuweilen haben' brem.-ndsächs. wb. 2, 515, vgl. dazu glaszaugen des yeux verons ou verrons, oculi varii, variis coloribus praediti, quales equi nonnulli habent Duez dict. (1664) 2, 202; als fester ausdruck durchstehend, vgl. dazu im ahd. als adjectivbildung glesenoger glaucus (als bezeichnung für ein pferd) ahd. gloss. 3, 684, 34 St.-S.; vgl. ags. glæseneáge glaucus bei Bosworth-Toller suppl. 474a (glossar d. 11. jhs.), sowie im as. glasa glaucus (equus) Wadstein 109a (glosse zu: glaucus vero est veluti pictos oculos habens et quodam splendore perfusos Isidor XII 1, 50); zufrühst mnd. bezeugt: eyn brune plesseke und eyn swart mit tzween glasseogen (Schwerin v. j. 1517) bei Schiller-Lübben 2, 117b. im hd.: die glasz- oder burgaugen (s. birgauge teil 2, 38) sind nimmermehr gut, ob wol dieselbigen rosz ... fast hurtig werden ... diese farb ist von den obern (lichtbraunen, schwarzen, grauen augen) in dem unterschiedlich, dasz sie vil weiszer sind M. v. Fugger gestüterey (1584) 50a; die weiszen augen sehen wol in duncklen orten und bey warmen wetter, wenig aber in kaltem schneegewitter, und die bey nacht scharff sehen (wie die bürg- und glasaugen), die sehen bey tages desto weniger v. Hohberg georg. curios. (1682) 2, 133; glas- oder bürgaugen, sonderlich wann diese augen einander nicht gleich sind ebda 132b;

ein pferd, das für das schwarz viel weisz in augen hat, nicht sihet allzu scharff im schnee und abends spat. auf zweygeäugtem gaul, der sonst ein glasaug führt, ein gutes spornenbaar und ochsenzenn gebührt v. Stubenberg bei Hohberg a. a. o. 131; Oppianus will ... zur löwenjagt ein solch rosz, das gläntzende glaszaugen hat J. Sinapius silvula venatoria (1678) 38; das glasauge (beim pferde), welches eine porzellänfarbe, bläulich, gräulich und weisz untereinander hat, ist eines der gesündesten augen bunzlauische monatsschrift 7 (1780) 45. — von glänzendem, feurigem auge: (die leoparden) haben ein langen leyb mit roten gleszaugen gleych als ob sy fheürin wärind Herold-Forer Gesners thierbuch (1563) 105a; ebenso mundartlich als glasauge Staub-Tobler 1, 136. — anders für ein starrglotzendes, hervorstehendes auge, beim menschen: auch hat es (das mägdlein) grosze bausende glaszaugen gehabt, welche im weit herausz für dem kopff gelegen, darinnen der augapffel fast eitel sehe, wenig aber weiszes vorhanden gewest M. Chr. Irenäus wundergeburten (1584) p 3a; er ist ein kleiner alter gebückter mann mit einem entsetzlich dicken kopfe und hervorstehenden glasaugen E. T. A. Hoffmann briefwechsel 2, 135 M.; vgl. s. w. 7, 240 Gr.; wo was zu fischen ist, haben sie (die Basler) es am angel, ehe ein Engländer seine glasaugen aufmacht J. Gotthelf ges. schr. (1855) 17, 201. mundartlich glässauge 'glotzauge' Fischer schwäb. 3, 671; auch als schelte für einen glotzäugigen ebda, ebenso glasooge Schütze holst. id. (1800) 2, 36. bei trunkenheit: er hat glasaugen W. Körte sprichwörter (1837) 527. vgl. DWB gläsern 2. 2) künstlicher gegenstand aus glas, zu glas A. a) brille: wir müssen uns lassen verdamen und ansehen durch glaszaugen ... wenn man es ansihet durch ein gemalet glasz, so gehets also Luther bücher u. schr. 2 (1565) 235a Eisl. (vgl. dazu glas B 1 c); occhiale brillen, glaszaugen Hulsius dict. (1618) 2, 267a; dann etliche (würmer) sind so zart, dasz man sie ohne glaszaugen nicht wohl erkennen kan K. F. Paullini erbaul. lust (1695) 5; (er) entnahm einer übermäszig gefüllten linken rocktasche ein brillenfutteral, knipste es auf und stellte befriedigt fest, dasz seine glasaugen noch in bestem zustande vorhanden waren Heinr. Wolfg. Seidel Krüsemann (1935) 226; vgl. noch 'augenglas' Unger-Khull steir. 294a. b) durchguck mit glasscheibe, kleines fenster, vgl. windauge: in andern fensterlöchern (des schlosses) hingen nothrahmen aus rohem kieferholz mit kleinen, trüben glasaugen G. Freytag ges. w. 5, 11; der backprocess läszt sich durch die beiden glasaugen überwachen Muspratt chemie 2, 194. c) künstliches auge aus glas: götzenbilder ... mit eingesetzten glasaugen Ritter erdkde (1822) 2, 966; zwei ausgestopfte dragoner mit glasaugen Fontane ges. w. I 1, 168; heute die gängigste bedeutung, z. b. der invalide hat links ein glasauge.

Letzte Änderung am 29.01.2018 durch V.S.
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