LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe gebal, gebalskeinî (DWB)

Wörterbuch Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971.
Fundstelle Bd. 7, Sp. 7323- 7334
Inhalt

giebel, m. herkunft und form. das wort ist auf das deutsche sprachgebiet im weiteren sinne beschränkt: für das ahd. sichern einen ja-stamm gibili die glossen gipili frontem ahd. gl. 1, 464, 17; 650, 21 (10. jh. und später), gipili frontes 2, 465, 22 und gipille fronte 2, 3, 30. seit dem 12. jh. herrscht in den glossen gibil, eine form, die in den kompositen nord-, suntkibel schon bei Notker auftritt. mhd. gibel, mnd., mnl. gevel. das gotische hat mit anderer bildung gibla schw. m. (sieh unten), das nordische mit ablaut an. gafl, m., giebelwand, spitze einer insel, norw. gavl, gavle querwand, kurze bergwand Torp 149, schwed. gavel, dän. gavl giebel Hellquist 181, Falk-Torp 302. ahd. gibili stellt sich wie das jōn-femininum ahd. gibilla testa, glabra, calvaria, as. gibilla calvaria Wadstein as. sprachdenkmäler 76, 30 zu ahd. gebal testa, calvaria und weiter zu gr. κεφαλή kopf, vgl. Walde-Pokorny 1, 571. da got. gibla und an. gafl trotz κεφαλή für die germanische sippe alte mittelvokallosigkeit wahrscheinlich machen, wird — wofür schon die chronologie der belege spricht — gibil eher aus gibili verkürzt sein, als mit gebal im suffixablaut stehen. eine solche apokope des auslautenden vokals nach liquida ist im 12. jh. regelrecht, auffällig allerdings bei Notker, doch ist sie bei ihm nur in der komposition, wo sie durch den gröszeren wortumfang begünstigt wurde, gesichert: zu gibile polo Notker 1, 838 ist ein nominativ bei ihm nicht belegt. das genus ist seit dem mhd. masculinum wie got. gibla und nord. gafl; für das ahd. wird es nur durch Notkers komposita himel-, nord-, suntgibel bezeugt, dagegen hat das simplex gibili neutrales geschlecht: ahd. gl. 2, 465, 22 gipili frontes; alle andern ahd. belege sagen über das geschlecht nichts aus. vgl. das vereinzelte das gippl (anf. d. 16. jh.) österr. weist. 7, 39, s. u. sp. 7326. der stammvokal ist im ahd. einmal e statt i: in kebile in fronte ahd. gl. 1, 333, 13 (12. jh.). im mhd. begegnet des hûses gebel Marien himmelfahrt zs. f. deutsches altertum 5, 814 und gebelwant im alemann. Wolfdietrich d vii 34, 3 Amelung-Jänicke; gipfel, gebel Dasypodius (1537) 71a. im md. ein gebil (1304) hess. urkb. 2, 642 Baur; frontispicium gebbel Trochus (1517) p 1a u. ö. gebel gilt bes. für das elsässische und niederdeutsche: s. gebel (für das 13.-15. jh.) bei Ch. Schmidt hist. wb. d. elsäss. ma. 119; Martin-Lienhart 1, 194a; gibel neben gebel bei Wickram z. b. 4, 160 und 161 lit. ver.; gevel Schiller-Lübben mnd. 2, 92a; jevel Rovenhagen Aach. 44; gewel Schambach Gött. 63b; Mensing schlesw.-holst. 2, 367. nd. auch zerdehnt und verdumpft: gieffel nomencl. lat.-germ. (Hamburg 1634) 452; göbel Greflinger weltl. lied. (1651) anh. 64 (s. u. 7328). die hd. vokaldehnung erleidet in einigen md. gebieten vor -b- ausnahmen, s. V. Moser frühnhd. 75; 52; daher rühren wohl schreibungen wie doma gibbel (s. u. 7329) Diefenbach gl. 189c; gybbel frontispicium 248c; orthogonium 401c; vielleicht auch gipel und gippel, gleichfalls für orthogonium, ebda. — formen mit -ü-, z. t. im wechsel mit den -i-formen, erscheinen in älterer zeit bes. im obd.; schwäb. auf den gübl (1768), den hohen gübel der warheit (1591), s. u. giebel 6 'bergspitze'; in gleicher anwendung häufiger gübel neben gibel bei dem Österreicher W. H. v. Hohberg, s. ebda, derselbe am gübel der distel, s. giebel 7. vgl. weiterhin: die thächer an thürnen ... die gübel auf den häusern und hohe kümich (vgl. kimmich und kümmich kamin teil 5, 101) ... darnidergeworffen Wolfg. Hartmann chron. d. st. Augspurg (1595) 2, 229; Zesen rosenmand (1651) 128; sowie gübell des stollens Bech Agricolas bergwerkb. (Basel 1621) 89, neben gibell in gleicher anwendung ebda 96 (s. u. sp. 7329). gerade im schweizerischen berührt sich gibel 'bergspitze' mit dem synonym. gubel, gübel (vgl. Staub-Tobler 2, 97 und 98 sowie oben teil 4, 1, 6, 1027), sodasz hier mit vermischung zu rechnen ist: von dem obersten gübel gegen den rauhen berg Dolorosen gezogen H. Pantaleon P. Jovii 45 gesch. (Basel 1560) 150. vereinzelt auch: haus mit gubeln Knebel chron. v. Kaisheim 352 lit. ver.; einen gubbel mit nuwen wurff vberzogen Bingenheimer acten von 1648 bei Diefenbach-Wülcker 625, aus der gleichen quelle gubbel v. j. 1599 ebda. bedeutung und gebrauch. wie die verwandten ahd. as. gebal, gibilla, gebilla für 'calvaria, testa, glabra, vertex' erscheinen, so gibili in den ahd. glossen für 'frons', doch handelt es sich dabei stets um frons tecti oder templi: in fronte tecti (von der stiftshütte exod. 26, 9) in kebile ahd. gl. 1, 333, 13 St.-S.; 330, 31; porticum vero ante frontem (2. chron. 3, 4) gipili 1, 464, 17 St.-S.; ähnlich 1, 650, 21 (Ezech. 40, 1); quatuor frontes (templi novi) gipili 2, 465, 22; reserat summam sublimi a fronte fenestram gipille 2, 3, 30; vgl. im got. ana giblin alhs ἐπὶ τό πτερύγιον τοῦ ἱεροῦ Luc. 4, 9. bei Notker auszerdem componiert als 'polus': die himelgibela polos 1, 839, 17 P.; 765, 12; 789, 15; das compositum schwebt auch vor bei dem vereinzelten simplex: unde dia himelahsa ... gan fone einemo gibele ze deme andermo durh tia erda 1, 839, 20; im gleichen sinne für summo vertice mundi pi demo himelgibele 1, 291, 11; vgl. dazu uuanda der nordkibel ist obe erdo also der suntkibel ist under erdo 1, 270, 8. im gleichen felde liegt wohl der früheste mhd. beleg a. d. 12. jh.:

(der engel zu Joachim in der wüste) uar uz disem steingevelle ... wan swer dir herre mæze disen irdisken gibel hohe uf unz an den himel mit rotguldinen spelte, der enmæht dir daz kint (Maria) niht vergelten (A: dein tohter) priester Wernher Maria d 773 Wesle; so wohl auch zu verstehen: (du sollst dringen) in daz swigen, daz do ob allem wesen ist; ... in der úberweslichen drivaltekait der úbergegöteten gotheit, in dem togenlichen, úberunbekanten úberglestigen aller höhsten gibel, da hört man mit ... swigene wunder H. Seuse dtsche schrift. 190 Bihlm. im übrigen aber ist in der folge die hauptanwendung des wortes wie schon in den ahd. glossenbelegen bautechnisch bestimmt und be- zieht sich in gebrauch und bedeutungsentfaltung überwiegend auf die beiden schmalseiten des spitzzulaufenden alteinheimischen satteldachs (sieh unten 1), von denen zumal in älterer zeit zumeist die vordere gemeint ist; von daher dann auch auf die spitzzulaufende giebelwand (s. unten 2) sowie andrerseits auf das satteldach als ganzes (s. unten 3) bezogen. die etymologische herleitung sowie die ahd. verwendung als frons tecti kann hier eine vorstellung wie 'kopf-, stirnseite des hauses' als ausgang nahelegen. von einer isolierten stelle bei Johann v. Würzburg (s. unten sp. 7332) abgesehen, tritt daneben erst seit dem 16. bzw. 17. jh. eine weniger übliche, geographisch beschränkte anwendung von giebel auf die spitze von bergen und pflanzen (s. u. 6 und 7), für die sonst gipfel und wipfel gilt. für giebel, gipfel und wipfel ergibt sich dabei gegenseitige bedeutungsvermischung. im wesentlichen ist jedoch die differenzierung von 'haus'-giebel, aber 'berg'-gipfel schon im 16. jh. fest und heute unbestritten.

Letzte Änderung am 24.01.2018 durch V.S.
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