LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe gans, ganshabuh (DWB)

Wörterbuch Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971.
Fundstelle Bd. 4, Sp. 1255-1266
Inhalt

gans, f. anser. I. Formen und verwandtschaft. 1) von auswärtiger verwandtschaft war längst bemerkt, dasz gans mit gr. χήν und lat. anser 'überein kommt' Frisch 1, 318a (vgl. Wachter 521), als durch Bopp das altindische wort hinzutrat, das unserem noch näher liegt, hañsas m., hañsî f., und auch die slav. wörter, die schon Henisch mit aufführt, erwiesen sich als verwandt und zum deutschen am nächsten stimmend im altsl. gsĭ f. Miklos. 151a, poln. geś f. (gska f. gänschen, gsiór m. ganser), polabisch gongs, gunss u. ä., s. Schleicher polab. sprache 118, dann mit vollends verlornem -n sloven. gós, russ. gus, niederwend. guss, und mit dem gewöhnlichen umsatz von g- in h- böhm. hus, husa f., oberwend. husy pl., sing. husyca f. (gänschen). auch litt. žasis, genauer žąsis, schemait. žansis (Schleicher comp. § 191), lett. zôss, altpreusz. sansy Nesselm. voc. s. 42. auch das kelt. ist verwandt, s. u. 5, a. weiter ausgreifende vergleichungen s. bei Diefenbach orig. eur. 347 ff., Pictet orig. indo-europ. 1, 387 ff. 2) am alterthümlichsten erscheint die hd. form: ahd. cans, gans, anser, auca, pl. cansi, gensi Graff 4, 220; mhd. gans, pl. gense, auch noch im gen. dat. sg. gense, z. b.:

zallen zîten drôt er mir (mit dem messer) als einer veiʒten gense (: Ense). Neidhart 80, 34, vgl. unter II, 2, c, β. Nebenformen auch in der übergangszeit spärlich, z. b. aucula ein clein gense Dief. 59c, gänsz auca (gantz anser) n. gl. 41a, noch henneb. gense f. Fromm. 4, 315 (oder für gänsin?), also der umlaut in den nom. sg. vorgedrungen (worauf vielleicht ente neben ant einwirkte), was auch nd. nrh. vorkommt, s. gäus, gs Fromm. 5, 279; gansch s. u. 4, c; merkw. im 15. jh. gangs Schm. 2, 56, Birl. Augsb. wb. 180a (gengslin ansela), wol zur bezeichnung des näselns, s. 3, c. 3) aber auch im germ. erscheint das n gewichen, wie es im altslav. und schon im skr. als halbvocalisch im verschwinden war. a) altn. gâs, pl. gæs, mit eingetretener ersatzdehnung (gassi m. ganser, s. u. gänsel 2), ags. gôs, pl. gês, engl. goose, pl. geese, schwed. gs, norw. dän. gaas, isl. gás (gespr. gaus). Ebenso fries., z. b. ostfr. gôs, pl. gosen, gose, göse Stürenb. 73b, nordfries. gôs Outzen 101, gus, pl. ges Johansen 102b. Ferner mnd. gôs, im pl. gôse Rein. vos 1997. 2915, doch vermutlich mit umlaut gespr.; goes Chytr. 331, gosz 335, jetzt theils gôs (gûs), theils gaus, pl. gæs oder gäus, auch im norddeutschen hochdeutsch, z. b.: junker auf dem lande, die ihren frauen nicht gern hafer geben, dasz sie gühsen mesten können. Coler. hausb. 365. aber auch noch gâs, im Götting. ('selten gôs') Schambach 59b, selbst in zusammens. gâseblaume, gâsekop neben göæsekop u. ä. 59b. 66b. mnl. goes, jetzt aber gans, pl. ganzen, wie doch auch schon mnl. (fläm. noch goos Schuerm. 159b). b) auch mnd. und mnl. mit n, ersteres z. b. Uhland volksl. 567 ff., pl. gense Rein. vos 1632 und gl. (Lübbens ausg. s. 58), auch gansen dat. pl. 1673, als acc. RA. 595, das gestützt ist durch das gâse- in zusammens. neben göæse- vorhin, auch gansesmalt 15. jh. Dief. 64a, gensetegede Ssp. II, 58, 2 (s.gänsezehnte); mnl. gans Rein. 1701, gansen dat. pl. 1745, wo doch an hd. einflusz nicht zu denken ist. es müssen wol im altnd. gebiete gôs und gans neben einander bestanden haben (wie alts. cûst neben cunst, s. V, 2667). Ebenso im nrh. gebiete, im weitesten sinne verstanden, denn der Teuthonista gibt aus Cleve nur gans, pl. dat. gansen 99b, die Cölner gemma 1511 gans B 3a (aber gante ganser), während in Luxemburg gôs, pl. gês oder gais vorkommt Gangler 184, aber gänskraitchen gänsekräutchen 163; auch siebenb. goas. c) umgekehrt erscheint auch oberd. einzeln das n geschwunden oder im schwinden: sonneberg. gs (pl. gens) Schleicher 20; nürnb. gãs Fromm. 2, 84, mit genäseltem a, ebenso schwäb. Schmeller bair. gramm. § 567 (wie krãz kranz u. a.); schweiz. gaus f. gans im canton Luzern Stalder 1, 432; schwäb. findet sich gaũs Birl. Augsb. wb. 180a, gûs, gusel f. gans in der kindersprache Schmid 250 (s. auch gôsz ganser u. II, 1, b); vgl. schweiz. kûst für kunst V, 2667 (schon in ahd. zeit), Weinhold alem. gr. 168. ein erster ansatz zum schwinden des n ist die verlängerung des a, gâns, gânser u. ä., in md. und nordfränk. mundarten, z. b. hess. Vilm. 115, thür. 4) aber im auslaut auch abweichend gestaltet. a) einmal wie von einer stammform gan, die zu gr. χήν stimmen würde, ein name des gansers, mnd. ganre anser mas Hoffm. hor. belg. 7, 26a aus der nd. gemma Lpz. 1503, jetzt in Fallersleben gander Fromm. 5, 145, aber noch nordfries. gaaner Outzen 102, holst. ganner Schütze 2, 53, in der Zips goner Schröer 55b, gna darst. 243 (also auch md.), sächsisch gânert für gâner (wie gänsert für gänser). ferner in engl. mundarten ganner Halliw. 391b, älter schott. ganer, ganaris pl., s. Jamies. 1, 454b, schon ags. ganra Ettm. 709, Wright vocc. 29a. daneben steht zwar, wie nd. gander vorhin, engl. gander, ags. gandra, aber diesz ist aus jenem eher begreiflich, als umgekehrt, durch einschub des d wie in ἄνδρα aus anra, nhd. minder aus mhd. minre u. ä. oft. Auch hd. ein oder zwei spuren davon, einmal in oberbair. gander ganser Schm. 2, 53, aber mit der aussprache ganer oder ganr, die denn auch da die urspr. form bewahren mag, denn diesz bair. gander dem nd. ganter (s. e) gleichzusetzen ist nicht möglich. dann in dem ganner, der tauchergans des Bodensees sp. 1255, wo in der nebenform gann vielleicht auch das fem. dazu bewahrt ist; wenn sich einmal eine aufzeichnung des 13. statt des 16. jh. finden sollte, wird sie vielleicht ganre oder ganer m. und gane oder gan f. bieten. auch md. gantrich (nördl. v. Leipzig) ganser wird eig. gandrich, urspr. ganerich sein. b) schon unter ganner ward ags. ganot fulica verglichen, bei uns ist fulica hagelgans, snegans u. ä. Dief. n. gl. 184b, im prompt. parv. 186a ist ein vogel verzeichnet gante, bistarda (bistarda trappe, trapgans Dief. 75c), der herausg. und Douce bei Halliw. 391b sieht darin den heutigen gannet, d. i. pelecanus bassanus, die schottische gans, bes. im Frith of Forth heimisch; aber gannet heiszt der vogel eig. in Cornwallis und Irland (Nemnich 4, 893), welsch aber gan oder gans (das. 894). wie dem auch sei, das ags. gannot, gewiss nicht entlehnt, war der name einer gänseart und das altengl. gante ist in der form dasselbe wort. c) mit ganot aber stimmt in der hauptsache ahd. ganazo und ganazzo anser, auch 'ganzo vel antrech, anetus' Graff 4, 220; man sieht nach diesem ganzo und dem späteren ganze, ganz ganser (s. DWB ganze) das ganazo als erweitert an mit unechtem a, aber es wird umgekehrt sein. kommt doch bei den gleichen lauten von ahd. ganz integer unter allen formen bei Graff 4, 221 ff. nicht eine mit so eingeschobenem a vor, zu ganazo aber tritt stützend als nebenform ahd. ganizo Schm. 2, 56, ganitzo gl. blas. 72b, mhd. ganiz anser (neben gans auca) Mones anz. 3, 50, noch im 15. jh. ganysz anser Dief. n. gl. 25b (ja noch östr. ganis m. Höfer 1, 270, vgl. u. II, 1, b), mit echtem i, denn daraus begreift sich der umlaut in genz ganser Germ. 12, 204, jetzt sächs. gensch (auch gænsch), ohne umlaut im voc. inc. teut. gansch anser (neben gans auca, s. II, 1, b), sodasz das ahd. wort zugleich mit weichem und hartem z gegolten haben wird, wie auch in schwacher und starker form zugleich. d) dasz das -z bildend war, nicht stammhaft, verbürgt auch das merkw. östr. gánauser ganser Castelli 137, Schm.2 1, 924, älter gónaus 917, Nemn. 1, 261, in Presburg gónauser Schröer 55b. es wird neben altem ganazo (auch ganaʒ? s. II, 1, b) und ganizo, ganiʒ auch ganuʒo, ganuʒ bestanden haben, das durch irgend welchen einflusz auch zu gánûʒ wurde (vgl. z. b. kückaus und gúckuser kukuk V, 2523). so galt für ente ahd. anat, anit und anut (Graff 1, 335 fg.), für binse pinaʒ, piniʒ und pinuʒ (3, 130), und auch da findet sich solche höhere betonung, verlängerung, ausweitung der endsilbe in bair. bímaiszen binse Schm. 1, 175, 15. jh. pimissen das., pimisz Dief. 519a, in einem voc. inc. teut. b 8b bimszen scirpus und bimissen ulva, est quaedam herba, liesch, ein verwandtes gewächs. und merkw. auch für anser in einem bair. voc. d. 15. jh. gamaizz Fromm. 4, 291b, mit -m für -n wie eben in pimisz u. s. w. für biniʒ. An einer stammform gan neben gans ist nicht zu zweifeln, wie ähnlich vuhs fuchs in goth. faúhô, mhd. vohe eine stammform fuh neben sich hat. e) nd. steht neben gôs gans gante m. ganser Brem. wb. 2, 482, Dähnert 141b, Schambach 59b (acc. sg. und pl. ganten), mnd. gante, auch nrh. in der gemma Cöln 1511 B 3b, gaent Dief. 37a; auch mit umlaut nd. ghente in einem nrh. gefärbten nd. voc. Dief. 37a, wie noch nl. gent, pl. genten, mnl. ghent hor. belg. 7, 12a; sie entsprechen dem hd. ganze und genz, werden also auch gleiche entstehung, d. h. alts. ganato, ganit u. ä. hinter sich haben, entsprechend dem ags. ganot u. b, das engl. ebenso zu gant wurde, auch für ganser: a gose and a gant Halliw. 391b. wegen ganter s. u. ganser. 5) noch bleiben aber fragen übrig. a) haupts. nach dem gantae des Plinius hist. nat. 10, 22 (var. ganzae) von gänsen in Germanien, die dort so hieszen und selber oder ihre federn bis nach Rom bezogen wurden; es ist gewiss haupts. an die Rheinlande gedacht, er nennt die Morini, ein belgisches volk, von wo sie herdenweise bis Rom getrieben wurden; s. dazu Diefenbach orig. eur. 347, Hehn kulturpflanzen und hausthiere 268. diesz ganta kann dem auslaut nach nicht das ahd. gans, der sache nach nicht das ahd. ganzo oder nd. gante sein, das mit seinem -z oder -t zu bestimmt den ganser bezeichnete, um von gänsen überhaupt gelten zu können. Es wird aber keltisch sein, wo noch heute dentaler auslaut gilt: ir. gäl. gédh, géadh f. gans, corn. guit, gûdh gans u. s. w. (s. Diefenb. a. a. o. 349, Pictet 1, 388); ausfall eines n vor t mit ersatzdehnung ist im kelt. zum theil ein regelrechter vorgang (Zeusz-Ebel gramm. 42), für ganser aber findet sich noch jetzt ir. gäl. gandal. möglich übrigens dasz im alten Rheinlande sich ein gall. ganta gans und ein germ. ganata ganser berührten. b) das ganta gilt aber noch bis tief ins mittelalter im latein, auch rom.: prov. ganta, guanta, wilde gans, storch Rayn. 3, 423a, noch jetzt ganto (auch kranich), altfranz. gante, gente gans (Diez wb.2 1, 202); vom mlat. s. Ducange, auch Diefenb. 347 (als wildgans z. b. II, 1, e), es hat mit dem deutschen nichts zu thun, wird aber für Irland bezeugt bei Giraldus topogr. Hiberniae 1, 18 aucae minores albae, quae et gantes dicuntur, zugleich mit bezugnahme auf Plinius wie es scheint. c) aber auch das deutsche wort erscheint auf rom. boden, deutlich als rest aus alter zeit: span. gansa f. gans neben oca, und dazu ganso m. ganser (auch gänsebraten) neben ansar, gansaron m. junge gans; port. ganso m. ganser, gans. auch altfranz. nach Roquefort 1, 665b ganse wilde gans, storch.

Letzte Änderung am 24.01.2018 durch V.S.
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