LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe sunnis (RGA)

Wörterbuch Beck, Heinrich/Brather, Sebastian/Geuenich, Dieter/Heizmann, Wilhelm/Patzold, Steffen/Steuer, Heiko: Germanische Altertumskunde Online. Kulturgeschichte bis ins Frühmittelalter - Archäologie, Geschichte, Philologie. (2010). Berlin, Boston: De Gruyter.
Fundstelle Bd. 21
Inhalt

Not: [...] Wort wie Begriff e. N. der Rechtsbücherzeit haben Vorläufer im frühen MA gehabt, von denen sunnis der bedeutenste ist. Das frankolat. sunnis ist in der Lex Salica (Tit. 1 § § 1. 2), in der Lex Ribuaria (Tit. 32 § 4), im Pactus pro tenore Pacis (c. 5) und im Edictum Chilperici (c. 8), in merowingerzeitlichen und karol. Kapitularien (14, 20), in Diplomen und Formularen (11, 21) breitest überliefert. Mlat. sunnis, sunnea Fem. ist von soniare ,sich entschuldigen’ abgeleitet und bezeichnet ,das auf Wahrheit beruhende rechtsgültige Hindernis, vor Gericht zu erscheinen’ (8, 423) ein legitimum impedimentum oder eine legalis necessitas, wie es in den lat. Qu. der Legeszeit (Leges) heißt. In der L. S. (1; 2) wird sunnis ,e. N.’ als Entschuldigungsgrund wiederholt erwähnt: Bei der Vorladung vor das Gericht des Kg.s (Tit. 1 § 1, 2 De manire), beim Zuzug eines Auswärtigen (Tit. 45 De migrantibus), bei der Verfolgung eines gestohlenen Gutes (Tit. 47 § 2 De filtortis ,vom Drittbefehlen’), im Zusammenhang mit den Zeugen (Tit. 49 § 2 De testibus) und dem Treuegelöbnis (Tit. 50 § 4 De fides factas), ohne daß die Entschuldigungsgründe im einzelnen ausdrücklich genannt werden. Bes. hervorgehoben wird allein die Abwesenheit im Dienst des Kg.s, in dominica ambascia (Tit. 1 § 4 und 50 § 4). In den merowingerzeitlichen Zusatzbestimmungen zur L. S. kommen Tod eines Angehörigen (Tit. 76) und Verfolgung eines Diebes (Tit. 93) hinzu. In dem Bruchstück einer ahd. Übs. der L. S. (9. Jh.) erscheint sunne für sunnis in der Wendung ibu ini sunne ni habet (1; 19).

Dem volkssprachigen Wort sunnis, sunnea, sunne (15) liegt ein frk. *sunja zugrunde, das als Lehnwort im Vulglat. bereits vor 400 vorhanden gewesen sein muß (23). An die germ. Basis *sunj- ,Not’ bzw. darauf beruhende wahrheitsgemäße Mitteilung sind auch got.sunja ,Wahrheit’, sunjan ,sich entschuldigen’, gasunjon ,sich rechtfertigen’ anzuschließen (7), wie mit Gegensinn anord.syn Fem. ,Leugnung, Ablehnung’, synja ,eine Beschuldigung zurückweisen, verneinen’ (22). Im as. Heliand, V. 2305 (Heliand und Altsächsische Genesis) ist sunnia ,Krankheit’ belegt. Der Begriff ,e. N.’ ist hier in einem existientiellen Sinn zu verstehen, wie er sich im Nordfrz. oder Westfrk. mit soigner ,Sorge tragen, pflegen’, besoin Mask. ,Not, Mangel, Bedürfnis’ bis in die neueste Zeit gehalten hat, während im Ostfrk. oder Dt. der Terminus bereits im Summarium Heinrici (11. Jh.) einer zusätzlichen Erklärung bedurfte, ehe er ganz verschwand. [...]

Letzte Änderung am 17.12.2019 durch HiWi
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