LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Literatur Haubrichs, Wolfgang: Quod Alamanni dicunt. Volkssprachliche Wörter in der Lex Alamannorum. (tautragil)

Autor Haubrichs, Wolfgang
Titel Quod Alamanni dicunt. Volkssprachliche Wörter in der Lex Alamannorum.
Weitere bibliographische Angaben Brather, Sebastian (Hg.): Recht und Kultur im frühmittelalterlichen Alemannien. Rechtsgeschichte, Archäologie und Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts. Berlin/Boston: de Gruyter (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanschen Altertumskunde 102) 2017.
Fundstelle S. 197f., 204
Zitat

taud[t]ragil

Grammatik: Subst. N. Sg.

Bedeutung/-wandel: Es handelt sich um eine Knieverletzung, die zur Lahmheit führt, so dass des Betroffenen Fuß „den Tau [in der Wiese] berührt“. Übersetzung: ‚Tau-streifer‘ (metaphorisch für ‚lahm, hinkend‘)

Etymologie: tau-d/tragil (Subst. N. Sg) ‚Tau-streifer‘ (metaphorisch für lahm, hinkend, wie es auch der lat. Text umschreibt) < germ. *dawwa- n. ‚Tau‘ (vgl. ae. dēaw, afries. dāw, as. -dou, ahd. tou) + ahd. dragil (vgl. an. dregill ‚Streifen‘; ferner PN Dragilo etc.), Nomen Agentis zu germ. *drag-a- (Verb st.) ‚schleppen, ziehen, schleifen‘ (vgl. as. dragan, ae. drāgan, ahd. tragan). Das Substantiv tau zeigt noch nicht die ahd. Hebung des Diphthongs [au] > [ou], aber durchaus die oberdt. Medienverschiebung [d] > [t]. Das Grundwort dragil hat noch nicht den ahd. Umlaut von germ. [a] > [e] vor [i]. Die ‚Lex Baiuvariorum‘ hat im gleichen Zusammenhang der Lahmheit tautragil (IV, 27) und taudregil (VI, 11).

Textuelle Funktion: Bildhafte Verdeutlichung durch einen metaphorischen Ausdruck. Nicht mit dem ahd. lamo ‚lahm‘ wird der lat. claudus belegt, sondern interpretiert durch das wohl euphemistischem alltagsweltlichem Wortschatz entstammende tau-/tragil ‚Tau-streifer‘.

Lemmata
  • tautragil (Lex Baiuvariorum; Lex Alamannorum)