Literatur Haubrichs, Wolfgang: Quod Alamanni dicunt. Volkssprachliche Wörter in der Lex Alamannorum. (nasthait)
Autor | Haubrichs, Wolfgang |
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Titel | Quod Alamanni dicunt. Volkssprachliche Wörter in der Lex Alamannorum. |
Weitere bibliographische Angaben | Brather, Sebastian (Hg.): Recht und Kultur im frühmittelalterlichen Alemannien. Rechtsgeschichte, Archäologie und Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts. Berlin/Boston: de Gruyter (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanschen Altertumskunde 102) 2017. |
Fundstelle | S. 188-190, 203 |
Zitat | nast haid Grammatik: Subst. N. Sg. Bedeutung/-wandel: Es handelt sich um das Ritual, mittels dessen die Witwe die Herausgabe der Morgengabe des verstorbenen Gatten erzwingen kann; Sie nennt den Wert der Morgengabe, beschwört dies bei ihrer Brust, nach Kluge/Seebold „mit der linken Hand auf der rechten Brust und darüber hängendem linken Zopf (in Salzburg ‚mit fliegendem Haar und den bedeckten Brüsten‘)“. Es liegt hier ein arachaisches Rechtswort vor, auf einen Trachtbestandteil der verheirateten Frau bezüglich, in dem zeichenhaft die spezifische Haartracht pars pro toto für den Ehestand eintritt. Etymologie: nast-haid/t (Subst. N. Sg.) ‚Nest- bzw. Zopf-Eid (zur Erzwingung der Herausgabe der Morgengabe)‘ < germ. *nasta- ‚Nest, Knoten‘ (vgl. altgutnisch nast ‚Nestel‘; as. ahd. nestila ‚Band‘; daraus Lehnwort Bergamo, Brescia, Cremona nestola, nistola; ältere Entlehnung it. nastro, Veltlin nastola, Pavia nastol ‚Nestel, Schnur‘; Pactus Alem. III, 4: a nastula sua „von ihrer Nestel bzw. Zopf an“ im Zusammenhang des Eigentums, das einer verstoßenen Frau seitens ihres Gatten zusteht; regional nest ‚Haarknoten der verheirateten Frau‘; dt. nesteln ‚knüpfen, aufknüpfen‘; im Ablaut dazu ae. nostle ‚Band‘) + germ. *aiþa- m. ‚Eid‘ (vgl. got. aiþs, ae. āþ, afries. as. ēth, ahd. eid). Das Subst. -aid zeigt noch nicht die ahd. Hebung des Diphthongs [ai] > [ei], aber bereits die Entwicklung der germ. Frikative [þ] > ahd. [d] im Auslaut des Grundworts. Eine Schwierigkeit besteht in dem in den meisten Textzeugen der A-Klasse zwischen nast und aid stehenden <h>, das man in einem oberdt. Text nicht als hyperkorrekte Schreibung <th> statt <t>, wie sie im romanischen Bereich vorkommt, werten kann. Ebenso ist ein prothetisches <h> vor aid hier sehr unwahrscheinlich. Eine sinnvolle Möglichkeit zur Erklärung wäre, eine Uminterpretation des zweiten Elements unter Einfluss von germ. *haidu- (got. *haidus ‚Art und Weise‘, an. heiđr ‚Ehre, Würde‘, ae. hād ‚Stand, Person, Geschlecht‘, mhd. heit ‚Wesen, Beschaffenheit, Rang, Würde‘) anzunehmen. Nast-haid wäre dann sekundär etwa als ‚Zopf-Stand‘ im Sinne der Bezeichnung der Würde einer verheirateten Frau aufgefasst worden. Textuelle Funktion: Der Begriff fasst den Eid der Witwe zur Erzwingung der Herausgabe der Morgengabe nach dem Tod des Gatten als eine Art „Kennwort“ zusammen und verdeutlicht ein Ritual. Der Satz steht zusammenfassend, spezifizierend am Ende des Paragraphen, der das Ritual lateinsich schildert. |
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