LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Literatur Haubrichs, Wolfgang: Quod Alamanni dicunt. Volkssprachliche Wörter in der Lex Alamannorum. (haisterahant)

Autor Haubrichs, Wolfgang
Titel Quod Alamanni dicunt. Volkssprachliche Wörter in der Lex Alamannorum.
Weitere bibliographische Angaben Brather, Sebastian (Hg.): Recht und Kultur im frühmittelalterlichen Alemannien. Rechtsgeschichte, Archäologie und Geschichte des 7. und 8. Jahrhunderts. Berlin/Boston: de Gruyter (= Ergänzungsbände zum Reallexikon der Germanschen Altertumskunde 102) 2017.
Fundstelle S. 182, 185f., 205
Zitat

haistera handi

Grammatik: D. Sg., volkssprachliche Deklination

Bedeutung/-wandel: Es handelt sich um die Behandlung eines unrechtmäßigen bewaffneten Überfalls auf den Hof des Bischofs. Übersetzung: „mit heftiger, gewalttätiger Hand“

Etymologie: haistera handi (D. Sg.) ‚mit heftiger, gewalttätiger Hand‘ (stabende Rechtsformel) < Adj. germ. *haifsta- ‚heftig, violens‘ (vgl. ahd. heisti, heistiro ‚heftig, gewaltsam‘, afries. hāst ‚gewaltsam‘, ae. haest ‚heftig, gewaltsam‘; Adverb ahd. (Otfrid) heistîgo ‚heftig‘; Subst. germ. *haifsti- ‚Streit, Anstrengung‘, ahd. heifti ‚heftig, brennend‘, mhd. heifte ‚heftig, bewegt‘, dazu Ableitung Adj. mhd. heft-ec; vgl. auch PN wie Haist-(w)ulf ‚Streit-Wolf‘, langobardischer König 749–756 und andere mit *haifsta- komponierte PN bei Langobarden, Alamannen, Baiern und partiell im fränkischen und westfränkischen Bereich + germ. *handu ‚Hand‘ f., as. hand, ahd. Hant. Zur Prägung der Formel vgl. analoges an. heiptugri hendi, afries. haesta hand, mnl. met haestiger hand. Das Adj. haist- zeigt noch nicht die ahd. Hebung des Diphthongs [ai] > [ei]. Die Dativform handi zeigt noch nicht den Umlaut [a] > [e] vor [i]. Vgl. die späte und missverstandene Parallele asteroshant vel calida manu in einer Konstitution Friedrichs I. (a. 1152) sowie bereits langobardisch ER 277: De haistan (id est furorem). Si quis in curtem alienam „haistan“, id est, irato animo, ingressus fuerit

Kulturhistorische Informationen: Der Stabreim der Formel (h-h) verweist auf eine ältere Rechtsformel. Sie hat eine Parallele im langobardischen Recht, nämlich a. 643 Edictus Rothari, Titel 277, wo haistan (Adverb) mit irato animo glossiert wird.

Sprachzugehörigkeit: Das zugrundeliegende Etymon germ. *haifsta- (das in lautlicher Entwicklung auch zu dt. heft-ig geführt hat) ist vorwiegend in den westgermanischen Sprachen (Altenglisch, Altfriesisch, Althochdeutsch, Langobardisch) belegt.

Textuelle Funktion: Das Zitat der alten Rechtsformel dient der Signalisierung, dass es sich an dieser Stelle, wo es um den Schutz gerade des bischöflichen Hofes ging, um ‚altes‘ und ‚gutes‘ Recht handelte, um ritualisiertes Recht der Alamanni.

Lemmata
  • haisterahant (Lex Alamannorum)