Literatur Haubrichs, Wolfgang: "leudes, fara, faramanni und farones". Zur Semantik der Bezeichnungen für einige am Konsenshandeln beteiligte Gruppen (leudes)
Autor | Haubrichs, Wolfgang |
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Titel | "leudes, fara, faramanni und farones". Zur Semantik der Bezeichnungen für einige am Konsenshandeln beteiligte Gruppen |
Weitere bibliographische Angaben | 2017, in: Epp, Verena und Christoph H.F. Meyer (Hrsg.): Recht und Konsens im frühen Mittelalter, Ostfildern: Thorbecke, S. 235-264. |
Fundstelle | S. 236-247. |
Zitat | leudes ist ein frankolateinischer Begriff, der sich von germ. *leudi- m. "Mann, Mitglied des Volksverbandes (?)", ahd. liut(i) m.f., purc-liut "civis (in Glossen)", eli-liut "Ausländer", wester-liut "Wester-Mann, Gallus (in Glossen)" ableitet. Der Stamm *leud- ist in zahlreichen germanischen Sprachen in der Pluralform (Kollektivum) belegt. Im Singular lediglich mit der Bedeutung "Mann, freier Mann", vielleicht als "erwachsenes Mitglied des Volksverbandes" zu denken. Nur in der Lex Burgundionum (Tit. 101, §2) ist die einfache Bedeutung "Mann" überliefert. In Wergeldfragen stehen die leudes unter den optimates und grenzen sich von den mediocres ab. Außerdem ist das Wort in quasi-appelativen Bildungen als Zweitglied belegt, aber auch in Personennamen oder in anderen Bildungen als Erstglied. Bsp: liutin (Movierung, alemannisch und bairisch), ragin-liodis "Rat-Mann" (737 Weißenburg, frankolat. Grundwort), adal-leod "Adels-Mann" (fränkisch, alemannisch, baierisch), heri-leutus "Heer-Mann" (856/57, Italien). Daraus lässt sich schließen, dass das Kern-Wort *leud- im 8. und 9. Jahrhundert im fränkisch-alemannisch-bairischen Gebiet noch bildungsfähig war. Das frankolateinische Lehnwort leudis (Pl. leudes) hat in der Merowingerzeit (6./7. Jhd) eine semantische Entwicklung durchlaufen: Von "freier Mann/freie Männer" zu "Gruppe von Männern, die dem König nahe steht", was sich darin zeigt, dass den leudes in der Mitte des 6. Jahrhunderts konstituierende Macht zugesprochen wurde, allerdings hatten sie zuvor schon so bedeutende militärische Macht als bestimmende Größe im Heer, dass sie einen bedrohten König schützen und etablieren konnten. Die leudes waren also eine einflussreiche Gruppe am Hof, die mit Gütern versorgt wurde und im Gegenzug einen Treueeid leisteten. In Konfliktfällen verließen sie aber auch ihren König. Dieser hatte gegenüber den leudes Pflichten, herrschte und richtete aber über sie. 604 forderten die leudes z.B. König Theuderich II zu einer Friedensschließung auf. Möglicherweise könnten der Gruppe der leudes auch Bischöfe angehört haben. Der Treueeid an den König ist Eigenschaft der leudes zu verstehen, dazu die Bildung leude-sam-io "Leud-schaft" aus dem 7. Jhd. |
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