LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe laib, lidinlaib (DWB)

Wörterbuch Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971.
Fundstelle Bd. 12, Sp. 77-78
Inhalt

leib, m. vita, persona, corpus. Formelles und etymologisches. ahd. mhd. lîp, gen. lîbes; alts. altnfr. lîf, lîes; niederl. lijf, niederd. lîf, lîves; ags. lîf, lîfes, engl. lîfe; fries. lîf, lîves; altnord. lîf, lîfs; schwed. lif, dän. liv; in den alten dialekten, wie noch jetzt im niederl., schwed., dän., ein neutrum. einzig im gothischen ist das wort nicht aufgewiesen; dasz es dort gefehlt habe, ist bei seiner sonstigen gleichmäszigen verbreitung über alle deutschen dialekte nicht anzunehmen; Ulfilas musz gründe gehabt haben, es in seiner bibelübersetzung zu vermeiden. Schon bd. 2, 90 und wieder oben sp. 397 unter leben ist der zusammenhang sowol dieses wortes als auch des subst. lîp, leib mit pîlîpan, bleiben vorgetragen worden. dieser zusammenhang kann aber nur von einer besonderen germanischen vorstellung ausgehen. lîp, im munde des streitbaren mannes, ist ursprünglich der gegensatz des gleichgeschlechtigen wal, ags. wäl, welches die gesamtheit der auf dem schlachtfelde gefallenen, die zusammenfassung der für den heldenhimmel aus gewählten bezeichnete; lîp ist demnach eigentlich die gesamtheit der noch zurückgelassenen, noch nicht gefallenen. wie wal dann übergeht in die bedeutung niederlage, tod auf dem schlachtfelde, so lîp in die bedeutung leben; wie wal auch die einzelne kriegerleiche bedeutet (ags. wäl Grein sprachschatz 2, 644), so lîp den einzelnen zurückgebliebenen, lebenden, die person. von diesen beiden bedeutungen aus entwickelt sich das wort zu unserm heutigen gebrauche. der übergang von jener oben angegebenen ursprünglichen collectivbedeutung zu der des lebens kann aber noch nicht zur zeit der entstehung der gothischen bibelübersetzung erfolgt sein; denn der grund für Ulfilas das wort, das wir auch als gothisch voraussetzen musten, zu vermeiden, konnte nur der sein, dasz es sich noch seinen scharfen kriegerischen und heidnischen begriff bewahrt hatte. das althochdeutsche und die gleichzeitigen andern dialekte haben ihn verloren.

Der umschlag aus dem alten neutralen geschlechte in das masculine (nach dem gegensatze tod) beginnt im ahd.: lîp sâlîgan vitam beatam. Murbacher hymn. 20, 4, 4; argebe joh tôd lîp niuuan reddatque mors vitam novam. 20, 6, 4; gegen: êuuînaʒ lîb (vitam aeternam). Tat. 82, 4;

thaʒ thaʒ êuuînîga lîblêrta thâr ein armaʒ wîb. Otfrid 2, 14, 84; und ist im mhd. nhd. vollzogen. nachklang des früheren neutralen geschlechtes kann zwar nicht unser heutiger plur. leiber, der erst im 17. jahrh. sich zu bilden scheint, wol aber der plur. leib sein, der im 16. jahrh. mehrfach bezeugt ist: auszgemerglete, hingefalne und schwache leib, fluxa et resoluta corpora. Maaler 269b; kleine leib, minuta corpora. ebenda; dann sie gemeinlich alle lange gerade leib haben. Micyll. Tac. 439a; dann sie schwarze schildt und gefärbte leib haben. 451a. mit dem aufkommen des masculinen geschlechts bildet sich die masculine pluralform lîbe: mit disen drîn vogelen sint pezeichenet drîe lîbe derô heiligon. Notker ps. 101, 8; als der lîp (die person) stirbet, sô sullen die lîbe mit einander nieʒen, die dâ genennet sint. Schwabensp. 34, 5; eine form, die bei Luther häufig, sich bis ins 17. jahrh. erhält: und stunden auf viel leibe der heiligen, die da schliefen. Matth. 27, 52; das derselbige gott, der Christum von todten auferwecket hat, wird auch unsere sterbliche leibe lebendig machen. Luther 6, 79b; er (Paulus) heiszt uns opfern unser leibe zum heiligen, lebendigen, angenemen opfer. 95b; wenn wir alle sollen wider auferstehen, was werden wir für leibe haben? 209a; das ander und newe leibe solten auferstehen. 246b; gleichwie einmal ein meszpfaff gewest ist, derselbe da er uberm altar viel hostien solte consecrieren, meinete er, es were nicht congrue nach der grammatica geredt, das ist mein leib, sondern sprach: disz sind meine leibe. tischr. 67b; sie vertrawen gott jre leibe und seelen. 136b;

hohe (menschen) sind löwen, und dienen den leiben (: treiben). Logau 2, 102, 14.

Letzte Änderung am 06.02.2018 durch V.S.
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