LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe forestis (DWB)

Wörterbuch Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971.
Fundstelle Bd. 4, Sp. 3-5
Inhalt

forst, m. silva, nemus, ursprünglich aber nicht jeder wald, sondern bannwald, herrnwald, fronwald, im gegensatz zur mark, dem allen genossen gemeinen wald. zuerst in fränkischen urkunden und schon merowingischen des 7 jh., z. b. Chlothars 3 von 643: de foreste nostra (Bouquet 4, 642); von 667: de ipsa foreste dominica, per mediam forestem (Pardessus 2, 146); in foreste Dervo (a. 673. Pardessus 2, 157); aber nicht im salischen gesetz, nicht bei Venantius Fortunatus, Sidonius Apollinaris, nicht bei Gregor, Fredegar, Marculf, geschweige in älteren lat. schriftstellern anderer länder. in der carolingischen periode mehrt sich der gebrauch, man sehe z. b. Carls d. gr. capit. de villis 36: feramina nostra intra forestes bene custodiant; capit. aquisgranense von 802, 39 ut in forestes nostras feramina nostra nemo furari audeat (Pertz 3, 96); capit. von 813, 18 de forestis, ut forestarii bene illas defendant, simul et custodiant bestias et pisces. et si rex alicui intus foreste feramen unum aut magis dederit, amplius ne prendat quam illi datum sit (Pertz 3, 189); intra ipsam forestem Arlaunum (Pertz 2, 279; de Arlauno foreste (2, 278). dies älteste forestis f. schwankt aber später in foresta f. forestus m. (z. b. vita Burchardi wormat. Pertz 6, 837) und forestum n., aus dem f. gieng hervor das fr. forest, heute forêt, it. foresta, engl. forest, welshe fforest. Ducange 3, 350 hat belege gesammelt, unsere urkunden ergeben viele andere: quatuor partes foresti bei Lacomblet 1, 79 no 127 (a. 996); quatuor foreste. daselbst 1, 202 no 306 (a. 1129); Hermannus de Foresto das. 2, 398 no 683 (a. 1275), wie unter den minnesängern ein her Günther von dem Forste erscheint; silva quae dicitur vorst. MB. 4, 408 (a. 1141) u. a. m. Notker hat uns ahd. reime von einem ungeheuren eber aufbewahrt, wo es heiszt imo sint porste ëbenhô forste, seine borsten starren einem walde gleich. das wort mögen also die Franken in Gallien eingeführt haben, von wo es sich weiter erstreckte; wäre es lateinischen ursprungs, warum zeigte es sich nicht schon früher und anderwärts? und wie schwer fällt lateinische deutung. man zieht dazu foras, foris, fr. hors, und forestiere ist freilich ein auswärtiger, forensis, extraneus, allenfalls ein landmann, aber noch kein förster; aus dem wald zu den leuten kommen bezeichnet den gegensatz von dorf oder stadt, darum ist das auswärts noch nicht der wald, es wäre ebenwol die heide, das gebirge oder ein nachbardorf. it. foresto, wüste, wild, unbewohnt scheint erst nach foresta gebildet. hinzu kommt, dasz bereits ahd. forst m. nemus, saltus bedeutete und in einer stelle beigefügt ist 'dicitur etiam Francorum lingua foresta'. den übrigen Deutschen musz sowol die einsilbige gestalt des wortes als die zweisilbige bekannt gewesen sein. jene ist mhd. wie nhd. die vorherschende:

dër wol ervarn getorste, ob ieman in dëm vorste mir ze lâge sî geriten. Lanz. 3721;

als ër nu kam für dën vorst. krone 19004;

si muosten in dëm vorste belîben al gemeine. tr. kr. 24106;

frou, in dër Eren vorste ze sælden uns gezwîet. g. schm. 1874;

und gar und gar verwildet in dër Sorgen vorste. Engelh. 1941;

ich sihe ein obeʒ hangen, ëʒ habe hâr ode borste, in einem heiligen vorste ze Düringen noch ze Sahsen enkunde niht gewahsen beʒʒer obeʒ ûf rîse. Reinh. fuchs s. 302;

daʒ Tulner vëlt und daʒ lant, dër vorst und daʒ Ibser vëlt. Helbl. 4, 167. daneben zweisilbig auf dreierlei weise forëst, foreis, forëht, und überall n.:

zëm forëst in Aʒagouc ein tjost im stërben niht erlouc. Parz. 27, 29;

dô kêrt dër knabe wol getân gein dëm forëst in Priʒljân. 129, 6;

zëm forëst in Briʒljan sah ich dich dô vil minneclîch. 253, 2;

du bist dër tugende ein blüender walt und ein geloubet forëst (: nëst). g. schm. 467;

ein forëst stuont dâ nâhen. MS. 2, 63b;

dû mîn geblüemteʒ forëst, ich dînes hërzen minnenëst. Martina 77, 99; voreis steht Parz. 27, 29 in einer variante;

ein grôʒ foreis dar an stieʒ. Wigal. 9, 38;

foreis salvatsch vil irre. Albr. Tit. 282, 1;

foreis salvatsch die wüeste. 303, 1;

ein forês stuont dâ nâhen. MS. 2, 61a; das merkwürdigste aber und im reim gesichert.

sus reit si mit ir gaste von dër burc wol ein raste ein strâʒen wît und slëht für ein clâreʒ forëht. Parz. 601, 10;

daʒ ër von eime tjoste bleip ze Priʒljân âme forëht, Minne, swër minne, minne slëht! Turh. Wh. 36b. forëst können allerdings die dichter der fr. form nachgebildet haben, obschon neben forst ein forest, wie neben ërnst, dienst ein ërnest, dienest zulässig wäre, auch das mhd. n. zum fr. f. nicht stimmt. forëht führte mich nun schon gramm. 1, 416 dahin, unser ahd. foraha, abies, pinus, mhd. vorhe, nhd. fohre, forche (3, 1870) und namentlich den collectivbegrif forahahi, nhd. forchach, pinetum zu vergleichen, welchen altn. fura f. und das collective fyri n. entspricht. aus forahahi mochte foreh und daraus forëht, wie aus saf, habich saft, habicht werden. diese wahrscheinlichkeit erhöhe ich jetzt durch das sl. bor, pinus, borek pinetum, slovenisch bor und borscht, deren b sich zu unserm f verhält, wie in blocha floh, braza furche, brod furt u. a. m. bor bedeutet aber nicht allein forhe, sondern auch forhahi, den föhrenwald, ja poln. ist dafür die bedeutung wald im allgemeinen eingetreten, ganz wie forest den wald überhaupt ausdrückt, ohne dasz man dabei an fohren denkt. ebenso ist aus einem andern gleichen worte, nemlich tanne, das mhd. tan entsprungen, worunter anfangs tannenwald, zuletzt wald allgemein verstanden wurde. wie mit bor und tan steht es auch mit forst. diese betrachtungen leiten noch weiter. oben wurde davon ausgegangen, dasz foresta nicht jeden wald, vielmehr einen bannwald oder fronwald, forestis dominica bezeichnete und noch Maaler 139c erklärt forst durch fronwald, was ahd. wald frônô, silva dominorum oder deorum ausgedrückt werden durfte (akad. berichte 1849 s. 341) und zu dem heiligen vorste (Reinh. s. 302) stimmt. wir wissen nicht bestimmt, welcherlei wälder unsere vorfahren den göttern weihten. forestare, afforestare hiesz nach Ducange 1, 134. 3, 352 einen wald zum forst machen, ihn bannen und hegen, d. h. dem gemeinen gebrauch entziehen. die vorhin ausgehobnen stellen altfränkischer urkunden beziehen sich jederzeit auf königliche, herschaftliche wälder. da nun die gemeinwälder der markgenossen wesentlich zur weide und mast dienten, so bestanden sie vorzugsweise aus eichen und buchen im gegensatz zu den schwarzwäldern, die sich hauptsächlich für bannwälder eigneten. so erkläre ich mir marken und forste durch laubholz und nadelholz, noch jetzt ist z. b. der Tharander forst unweit Dresden nadelholz, der Zeller wald bei Nossen laubholz; bis auf heute ist uns wald das allgemeine wort geblieben und forst hat die engere vorstellung eines herrenwaldes, kammerforstes, daher auch die förster im dienst der herren stehn, die markgenossen genau genommen keine förster halten und die gerichtstätte gern im forst lag (beispiele RA. 794). es war aber natürlich, dasz mit der zeit der sinn der ausdrücke erblaszte, wie ja das fr. forêt, nach untergang des lat. silve und des alten gaut = wald, ganz den allgemeinen sinn von wald angenommen hat. nicht anders ist uns in forst die bedeutung der fohre erloschen, während im sl. bor der schwarz oder tannenwald noch stärker nachklingt. wie der wald auf gothisch hiesz entgeht uns die fragmente haben dafür keine einzige stelle, man darf wol valþus gen. valþaus vermuten (nach vilþeis), warum sollte nicht auch faura, faurha abies und faursts pinetum, silva gegolten haben? faurst klänge wie daursta oder vaurstv. schon die fichte und feure gemahnten an feuer und an das feuernährende pech (3, 1613), altn. fyra, fura abies reicht unmittelbar an fyr ignis, die fohre ist ein feuerbaum. selbst tan und tanne stehn, der gestörten lautverschiebung zum trotz, in gemeinschaft mit welshem tan, ir. teine feuer, mit tandjan zünden, mit Tanfana, Zanfana, wofür beweise sprechen die hier nicht zu erneuern sind. nach diesem versuch einer geschichte und etymologie des wortes forst bleibt wenig über seinen heutigen gebrauch zu bemerken.

Letzte Änderung am 24.01.2018 durch V.S.
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