LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe dorf (DWB)

Wörterbuch Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971.
Fundstelle Bd. 2, Sp. 1276-1279
Inhalt

dorf, n. vicus, goth. þaurp, ahd. thorf dorf (Graff 5, 224), mhd. dorf (Ben. 1, 383b), altsächs. thorp tharp, altfries. thorp therp (Richthofen 1076b), nd. dorp (Sachsenspiegel) dorp dörp (Schütze Holst. idiot. 1, 240), niederl. dorp, altn. þorp, engl. dorp, schwed. und dän. torp. in dem 15ten und 16ten jahrh. neben dem gewöhnlichen dat. pl. dörfern auch dorfen. das wort stammt, mit richtiger lautverschiebung, von dem griech. τύρβη, lat. turba ab, und ursprünglich hiesz es wol so viel als zusammenkunft geringer leute auf freiem feld, dann aber eine niederlassung derselben an einem solchen ort, um ackerbau zu treiben. die alte bedeutung hat sich noch jetzt in der Schweiz und in Schwaben erhalten, wie Stalder 1, 290 und Schmid 133 nachweisen. dort heiszt dorf m. besuch und dann auch zusammenkunft, versammlung besonders von freunden und nachbaren: ins dorf, ze dorf gehen auf besuch aus dem haus gehen (Schmeller 1, 395): dorfer, im Schwarzwald dorfgang, ein gast. man sagt gond hei, der hend dorf oder dorfer geht nach haus, ihr habt besuch oder gäste. so war ich über fünf jahre alt geworden, als wir einmal an einem sonntage dorf bekamen, was eine sehr seltene sache in unserm hause war Jerem. Gotthelf Bauernspiegel 1, 17. daher das zeitwort dorfen einen besuch abstatten, was besonders die nächtliche besuche bei mädchen bezeichnet; daher sagt man das mädchen hat schon gedorfet nimmt schon solche besuche von liebhabern und freiern an. doch auch im allgemeinen dorfen eine versammlung halten, nachtdorfen eine nächtliche. das subst. dorfete f. bezeichnet ebenfalls eine fröhliche zusammenkunft. bergdorf ist eine zusammenkunft auf einem berg, nachtdorf bei nacht. das goth. þaurp bezeichnet auch nicht vicus sondern ἀγρός ackerland, und jener begriff wird von Ulfilas durch veihs, ahd. wîh, ags. vîc ausgedrückt; aber das ahd. dorf hat schon die bedeutung von villa. eine gröszere anzahl von bauern war zu einem dorf nicht nötig, in Schweden ward, wie Ihre nachweist, eine einzelne bauernhütte schon torp genannt, und die menge hernach verschwundener dörfer zur zeit Karls des groszen erklärt sich daraus, dasz es nur einzelne gehöfte waren, wie sie jetzt noch im nördlichen Deutschland und besonders in Westphalen häufig vorkommen. merkenswert ist es in dieser hinsicht dasz in mhd. denkmälern zwar immer dorf gesagt wird, ebenso in zusammensetzungen wie dorfhirte, dorfknabe, dorfman u. s. w., daneben aber in abgeleiteten wörtern, die sich auf rohes bäurisches wesen beziehen, die niederd. form gebraucht wird, wie in dörper, dörperheit. wo sich gröszere ortschaften bildeten, veraltete der ausdruck wie in England, oder verschwand aus der schriftsprache wie in Dänemark, immer aber standen sie durch ihre eigenthümlichen rechte wie äuszerlich durch den mangel von thoren und ringmauern im gegensatz zu den burgen und städten. Otfried sagt in torfon joh in burgin 4. 31, 15.

al daz volc was gesezzin in burgin, dorphin unde stetin Athis A*, 89.

si nehânt dorf noch stat Lambrecht Alexander 4623 Weism.

swaz dörfer lige bî der stat. Konrad v. Würzb. Troj. krieg 86b.

ein jeder stand, dorf, fleck und stad. Rollenhagen Froschm. V iiij.

bei dorf und städten Ii v. man unterscheidet jetzt kirchdörfer, pfarrdörfer die kirche und prediger haben, acker- landdörfer, wo man ackerbau treibt, bruchdörfer die auf moorgrund liegen, zumal wenn torf da gestochen wird, randdörfer am rand der moräste, wie sie in der mark Brandenburg vorkommen. dasz dörfer sich zu städten erheben konnten zeigen die namen Altdorf, Burgdorf, Düsseldorf, Jägerndorf, Kirchdorf, Mehldorf, Pfullendorf, Schorndorf u. a. 1. dorf villa pagus dicitur possessio ampla in rure Voc. incip. teut. d.

es zalens die unter den stroen dechen, die armen peurlein in den dorfen Fastnachtsp. 380, 34.

als auf dem dorf ist sitte 446, 9. da kam er in ein dorf. da sasz der priester bei dem feuer und auch der schultheisz desselben dorfs Keisersberg Sünden des munds 62b. in der Postille bringt Keisersberg eine etymologie vor, wie sie in seiner zeit nur möglich war, das wörtlin dorf ist als vil geredt als 'doruf schütt oder für (führe) das korn.' als in der ern, wenn einer frucht ladet in eim acker, so frogt er wo er das korn hin sol füren, so antwurtet im denn der meister und spricht 'doruf für es.' dohär kumpt das teutsch wort dorf. dorf da vil baurenheuser an eim flusz nach einander gebawen oder bei dem brunnen Dasyp. 316b. das ist das erbteil der kinder Ruben unter iren geschlechten stedten und dörfern Josua 13, 23. und alle grenzstedte sampt iren dörfern der kinder Ephraim waren gemenget unter den erbteil der kinder Manasse 16, 19. alle dörfer die umb diese stedte her waren 1 Chron. 5, 33. lasz sie von dir, das sie hingehen umbher in die dörfer und merkte Marcus 6, 36.

die stim des herrn er hat verworfen, das pest viech so er fandt in dorfen hat er behalten Schmelzl David 6a. da der magister glaubet, auch empfand dasz dem also (dasz er sich betrogen hatte), hett er seins dorfs ein land (acker) drum geben dasz er dahin nicht kommen wäre Kirchhof Wendunmut 139a. ein herr über ein dorf comarchus Alberus Nov. dict. mm iij. der oberst im dorf praepositus pagi Schönsleder L 3. der best urenrichter im dorf, wol beredt, der auf allen schenken und hochzeiten pflegt abzudanken Fischart Garg. 208a. ein grosz dorf pagus Maaler 91c. dörfer der stadt nach (nahe) gelegen suburbana 92b. grosz dorf ein pflege, gemeine aus vilen dörfern Henisch 732. dorf ein flecken ohne mawren 731. ein bawr der auf einem dorf ist, vicanus, rusticus 731. ein bauer der seine sau abends im dorf sucht Chr. Weise Polit. näscher 68.

wenn die holderblüt kreucht herfür und im dorf ruft der widewohl (pfingstvogel). Rollenhagen Froschm. Gg ij.

in seinem reich viel hundert städt und unzehliche dörfer hett Fuchs Mückenkrieg 1, 124.

bapst, lasz das reformiren, so hast du kein gefahr, kein dorf wil ich (Gustav Adolf) dir turbiren, das glaube mir für war Soltau 2. 380, 9. auf dem dorfe wohnen Steinbach 1, 283. der feind hat viele dörfer angesteckt das. der flecken ist endlich gar zu einem dorfe worden das.

bis im dorf die hahnen krähn Hölty 38.

einsam wandelt er oft, sterbegedanken voll, durch die gräber des dorfs 88.

bis dumpf die abendglocke des dorfes klang 115.

bei des dorfes linden 118.

ich höre schon des dorfs getümmel, hier ist des volkes wahrer himmel Göthe 12, 54.

auf dorf und tanzplatz führen 12, 187.

das dorf paszt nimmer zu der stadt 45, 85.

muntre dörfer bekränzen den strom Schiller 75b.

aus dörfern und aus städten wimmelnd strömt ein jauchzend volk 336b.

durch die wiesengründe wandelt sie zu stillen dörfern hin Uhland Ged. 313.

des dorfes blühende jugend umlagert ihn (den alten) rings im grün A. Grün Ged. 307.

  1. adverbialisch.

sie machten sich da uf die fart bettelen z den dörfern hin, der knabe und die mter sein, umb das in wurde ein wenig brot, das sie doch büsztent hungers not, als von dorf z dorf sie zugent. Hans der Büheler Königstochter von Frankreich (Straszb. 1508) 39b. von dorf zu dorf pagatim vicatim Dasyp. 316b. Alberus Nov. dict. mm iij. Schönsleder L 3. von einem dorf zum andern Maaler 91c. von dorf zu dorfe gehen Steinbach 1, 283. Frisch 1, 202b. dorf für dorf durchwandern. zu dorfe kommen Möser Phantas. 1, 219. besitzungen zu dorf sind wirtschaftsgebäude, hofreiten, im gegensatz zu besitzungen zu feld Schmeller 1, 395. 3. die bewohner des dorfs. als der brautwagen kam, lief das ganze dorf zusammen. das ganze dorf versammelte sich zum tanz unter der linde.

das ganze dorf versammelt sich und eilt zum kirmesreihen J. M. Miller Ged. 33.

dann wird das dorf den bunten ährenkranz dir weihn, o göttin (Ceres) und ein dankfest feiern. Voss 4, 15.

  1. in engerm sinn ist dorf der name des orts den bewohnten auszentheilen gegenüber. so wird in der Wetterau Unterflorstadt rechts der Nidda schlechthin das dorf genannt im gegensatze zu Hinsbach welches den theil des orts links der Nidda umfaszt, wo sich kirche, schulhaus u. s. w. befinden Weigand.
  2. redensarten. nim darnach war wie er lachet, ob er die zen bleck und das maul weit uf tüge (aufthue), daz man im hinein sehe als in ein ferbrant dorf Keisersberg Sünden des munds 54a. hast du keinn zan mehr, so hastu ein vortheil, durfest nicht hart beiszen, würdest weniger lachen dann vor, schandt würt dich wol halten dasz du nicht unzüchtiglich wie ein alter narr umb dich gaffest, dasz man dir nicht in hals als ein verbrandt dorf sehe Petr. 190b. das sind böhmische dörfer für ihn davon weisz er, versteht er nichts, das starrt er mit verwunderung an, c'est du grec, c'est de l'algèbre pour lui Büsching Wöchentl. nachrichten 2, 128. das waren wol worte, die einen christenmenschen, der sich in einem solchen stand wie ich mich dazumal befunden, billig aufmuntern, trösten und erfreuen hätten sollen: aber, o einfalt und unwissenheit! es waren mir nur böhmische dörfer und alles eine ganz unverständliche sprache Simpliciss. 1, 24.

ich sagt ihm das bei meinen ehren mir das behmische dörfer wären Rollenhagen Froschm. N. wenn dies alles ihnen so dumm und confus ist als böhmische dörfer sein können Herder an Merck s. 41. ihm kamen alle diese dinge nicht anders als ungewisse dörfer vor Felsenburg 4, 173. es riecht, es schmeckt nach dem dorfe zeigt bäurisches wesen, bäurische natur. es schmeckt nach dem dorfe rusticitatem redolet Steinbach 1, 283. die frau schmeckt gewis nach dem dorfe, die ihrem mann treu bleibt Weisze. Fischart in seiner weise nennt den hintern das hinderdorf Garg. 136b. 6. sprichwörter.

ein gebûr gnuoc êren hât, der vor im sîme dorfe gât Freidank 122, 10. bei Henisch

er durft ein ganzes dorf verthun ehe er ein ganzes haus gewun. promus magis quam condus 732. es ist gut (leicht) auf eim dorf predigen. ein schweinboden in einer statt ist fester dann ein wolgebawt haus auf dem dorf. volle bawren soll man zu dorf lassen. gemach ins dorf, die bawren sind trunken. bei Simrock, wenn das dorf brennt, so steht des pfaffen haus in rauch 1662. im dorfe frieden ist besser als krieg in der stadt 1663. dörfer haben auch weichbild 1664. der viel dörfer hat ist edel 1666. leichter ein dorf verthan als ein haus erworben 1667. 'ich komme doch noch ins dorf' sagt der wolf 1668.

Letzte Änderung am 23.01.2018 durch V.S.
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