LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe anagrif (DWB)

Wörterbuch Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971.
Fundstelle Bd. 1, Sp. 356-357
Inhalt

angreifen, arripere, apprehendere, nnl. aangrijpen, eigentlich mit der hand, dem fusz, der klaue, dem schnabel an etwas greifen: ich greife, fasse deine hand, deinen arm an; greife die blume, den baum an; der rabe grif an und holte sich den käse; das heisze eisen mit der zange angreifen; ein pferd von dunkler farbe greift viel feuriger den boden an. Göthe 10, 40; do greif er ire hand an und das fieber verliesz sie. Matth. 8, 15; und er greif in an und würget in. 18, 28; und er greif in an und heilet in. Luc. 14, 4; wer pech angreift, der besudelt sich damit. Sir. 13, 1. ein gut, ein grundstück angreifen heiszt es in besitz nehmen, was durch leibliche berührung geschehn muste: so einer ein gut empfangen hette und (in) eines jares frist nit angriffe, ob ers auch darnach möge gebrauchen? weisth. 3, 760. den feind angreifen, das heer angreifen, adoriri hostem: der greift in an mit seinem schwert. Hiob 40, 14; wie sie dich angriffen auf dem wege und schlugen deine hindersten. 5 Mos. 25, 18; der feind hat die stadt angegriffen; wir greifen ihn auf seiner schwachen seite an. eine arbeit, ein werk angreifen, in die hand, an die hand nehmen, anfassen: was wiltu greifen an? fastn. sp. 690, 3; aber da mans angreif und ins werk bringen wolt. Luther 6, 136b;

es schmiedete zu Lemnos der schmiedegott Vulkan einst pfeile für den Amor, und Venus grif mit an. Gleims Anakreon 45;

greift an! macht dasz ein ende wird. Schiller 337; jenes geschäft wegen verkauf des vorwerks ward auch sogleich wieder angegriffen. Göthe 17, 89; Wilhelm grif selbst mit an. 18, 263; nun lernte ich auch die weltlichen dinge mit ernst angreifen und das ausüben, was ich sonst nur gesungen hatte. 19, 350; ein geschäft, das bei uns schon lange vorbereitet ist und jetzt nothwendig angegriffen werden musz. 20, 234; gieng mir auf, dasz ich nunmehr Tasso unmittelbar angreifen müste. 29, 323; diese vorsätze, redlich aber nicht genugsam verfolgt und angegriffen. 48, 61; Galens büchlein von den knochen ist, wenn man es auch noch so ernstlich angreift, für uns schwer zu lesen und zu nutzen. 55, 147; ich grifs am andern ende an. J. Paul Tit. 2, 93; du hast es ordentlich angegriffen, darum wirds auch gelingen; ich weisz gar nicht, wie und wo ich es nun angreifen soll; der mensch wird mit den gnadenmitteln im zirkel geführt und weisz am ende eigentlich nicht, wie er das ding angreifen solle. Kant 1, 256;

zu wasser musz nach hause, wer nicht zu lande kan, wem ein rath nicht gelinget, greif einen andern an. Logau 2, 10, 91. Gleich dem feinde werden nun auch andere angegriffen und angefochten: da ich zum ersten das ablasz angreif und alle welt die augen aufsperrete. Luther 5, 53a; damit sie mir auch antworteten, da ich den ablasz angreif. 6, 87b; wiewol er die rote mördische verdampte hure zu Rom nicht so ungewaschen angreif, wie der Luther gethan hat. 6, 488b; ich greife ihn mit starken worten an; er grif ihn bei seiner ehre an;

und an einander an ehrn angreifen. Ayrer 102a. Sein vermögen, sein geld, seine gesundheit angreifen heiszt durch den häufigen gebrauch sie schwächen und verringern: diesen schatz hat erster (primus) angriffen und weniger gemacht bischof Rudolf. Frank weltb. 41a; ein capital, das nicht angegriffen werden soll; sich angreifen bedeutet seinem beutel etwas zumuten, geld ausgeben, an sein geld greifen:

drum hoff ich unser herr könig der werde itzund angreifen sich und uns armen comödianten eine kleine verehrung geben. Gryphius 1, 743; grif sie sich aber dann und wann so stark an, dasz sie für die schon längst geleisteten dienste etwas gab. ehe eines mannes 336; er hat sich diesmal eben nicht angegriffen, wenig gegeben. Da man sich krankheiten, schmerzen und plagen persönlich dachte, so gilt von ihnen wie anfallen auch angreifen: wenn gott den menschen angreift. Luther 3, 1b; ob gott aus zorn oder gnaden angreift; gott würde seinen tod rechen und die statt mit mancherlei grewlichen plagen angreifen. Alberus 15;

die scharfe gift der sünden greift schon die geister an. Gryphius 2, 289;

der schwere sündenschmerz greift auch die knochen an. Fleming 18;

das fieber, der frost hat das mädchen heftig angegriffen, eben wie Hippokrates bei πῦρ, πυρετός, ῥῖγος auch λαβεῖν braucht: τὴν παρθένον πῦρ ἔλαβε, γυναῖκα ῥῖγος ἔλαβεν ἰσχυρῶς, vgl. deutsche mythol. 1106. es greift sie zu stark an, liebe Lotte! Göthe 16, 84, welches angreifen doch, wie vorhin angegriffen, aus der allzu starken anstrengung erklärt werden kann. die rede, die er heute gethan, die predigt, die er gehalten, hat mich sehr angegriffen; das lesen der kleinen schrift grif seine augen an; er ist noch immer angegriffen von seiner letzten krankheit; du must dich nicht so angreifen. Hungersnoth und theurung greifen das land an; auch die kirche wurde vom feuer angegriffen; heftige gieszbäche, welche das erdreich anzugreifen gewalt haben. Kant 9, 15; regen und staub greifen die kleider, der rost das eisen an. bergmännisch sagt man einen neuen stollen höher als den alten angreifen, d. i. anlegen.

Letzte Änderung am 22.01.2018 durch V.S.
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