LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe ana-fahan (DWB)

Wörterbuch Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971.
Fundstelle Bd. 1, Sp. 325-327
Inhalt

anfangen, incipere, nnl. aanvangen, früher anfahen, und ursprünglich an etwas fahen (capere), greifen, fassen, also angreifen, anfassen, anpacken, anrühren, wie sich zumal aus dem anfangen der thiere bei der vindication ergibt, der vindicierende muste schwörend das vieh mit hand und fusz anfahen, anfassen, ἵππων ἁψάμενος ὄμνυθι. Il. 23, 584 vgl. RA. 589. wer zu walten beginnt, der ἄρχων, faszt den zügel seiner gewalt, wer anhebt zu reden, ergreift das wort, wer zu essen anfängt, faszt an die speise. Schwerer deutung scheint wol das it. cominciare, sp. comenzar, port. começar, prov. comensar, franz. commencer, das sich kaum von initiare, inchoare, eher noch von incipere (walach. ncep, encep) ableitet, so auffällig das vorstehende com bliebe. doch -ensar, -encer führt wie semenza, semensa, semence auf sementis gebieterisch hin auf commentare, commentari, dessen bedeutung invenire, excogitare sich dem beginnen nähert. In unserm anfangen erscheint die partikel ungewöhnlich los und lebhaft beweglich (gegensatz zu jenem anerkennen): er fängt an zu sprechen, fängt zu sprechen an, anfängt er zu sprechen, an zu sprechen fängt er;

soll ich vielleicht schon an zu lachen fangen? Gellert 3, 330.

wenn man mit kindern an zu vernünfteln fängt. C. F. Weisze;

fängt seine finger an zu zählen. Wieland 10, 320; da man selbst freundschaftliche briefe an zu misbrauchen fängt. 112;

als der knabe lettern an zu kritzeln fängt. Göthe 4, 108; kaum aber hat er den ersten schlag mit dem hammer gethan, als ein hund, der in einem winkel des zimmers gelegen und den sie nicht wahrgenommen, aufspringt und an zu bellen fängt. Lessing 4, 423; sobald aber jener wieder mit dem hammer an zu schlagen fängt. 4, 424; wo man narrenweis an hat gefangen. fastn. sp. 729, 29;

die frauw zu wainen anefieng. H. Sachs I, 524a;

also fieng wir erst zu leben an. Schwarzenberg 151a; diese worttrennung, welche Adelung statt sie zu tadeln hätte rühmen sollen, findet sich nicht bei Luther, der immer sagt: seine mutter fieng an zu weinen. Tob. 5, 25; fieng laut an zu schreien. Sus. 24; niemals: fieng zu weinen, zu schreien an. Selten wird das zu weggelassen: ich fieng an lachen, ridere coepi. Thurneisser archidoxa, bl. 6. Bloszes anfangen für sich, ohne beigefügtes zu reden oder die rede, kann schon ausdrücken loqui coepit: einer unter des königs räthen fieng an, diesen menschen habe ich zu Beszra gesehen. pers. rosenth. 1, 35; und ebenso wird auch bloszes begann verwendet, lat. maximus Ilioneus placido sic pectore coepit. Virg. Aen. 1, 521; pro vallo castrorum ita coepit. Tac. hist. 1, 16. häufig steht aber auch statt des inf. ein angereihtes und: er fieng an und sagte = fieng an zu sagen; Noah aber fieng an und ward ein ackermann. 1 Mos. 9, 20; und er fieng an und sprach. Dan. 2, 15. 2, 20; Beltsazer fieng an und sprach. Dan. 4, 16; und sie fiengen an und baten ihn, ἤρξαντο παρακαλεῖν. Marc. 5, 17; da fieng er an und saget, ἤρξατο λέγειν. Luc. 11, 29; niemand war vorbereitet, jedermann überrascht, bis endlich ein junger officier anfieng und sagte. Göthe 17, 99; ich fange an und trinke = fange zu trinken an. Statt des abgezognen anhebens empfängt aber, und das wird der von commencer gegebnen erklärung zu statten kommen, das verbum den sinn machinari, excogitare, invenire, der dann in bloszes agere, facere, übertreten kann: und das fehet herzog George itzt fein an (hat er sich fein auserdacht). Luther 6, 16a; das buch in einen unbedingten schutz zu nehmen, darauf war es von mir gar nicht angefangen. Lessing; es war auf sein verderben angefangen; fängst dus so an? das fehlte noch. Göthe 8, 130; doch wüste ich nicht, wie ich es anfangen sollte, sie in so kurzer zeit, in solcher folge zur sprache zu bringen. 17, 279; was fangen wir nun an? sagte Philine, indem sich alle auf die bänke niedergelassen hatten. 18, 186; das kind, das erschrocken und verlegen schien, als man ihm schon von weitem zurief: was hast du angefangen! 20, 294; in der mitte bleibt das problem liegen, unerforschlich vielleicht, vielleicht auch zugänglich, wenn man es darnach anfängt. 22, 180; es ist bekannt, dasz die menschen, sobald es ihnen einigermaszen wol und nach ihrem sinne geht, alsobald nicht wissen was sie vor übermuth anfangen sollen. 23, 108; auf die art, wie man es angefangen (angestellt) hat. Kant 8, 66; lasset uns sehen, wie er es angefangen hat zu beweisen. 8, 129. es hoch anfangen (beim gesang). Garg. 79b, in hohem ton anheben, anstimmen. eine sache zu hoch anfangen. Bei anfangen finden sich die praepositionen an, von, mit und auf: so müste ie der anfang angefangen haben an der nacht. Luther 4, 4b; sie fiengen an an alten leuten. Ezech. 9, 6; wir wollen vom schönen anfangen. Wieland 1, 147; der markis schien verlegen zu sein, was er mit mir anfangen sollte. 12, 116; geehrt und in die höhe getragen von einer menge, mit der nichts anzufangen ist. Göthe 8, 238. es auf etwas anfangen heiszt es auf ein bestimmtes ziel hin unternehmen, es darauf anlegen:

nur weich daraúf zu sitzen, zu sorgen nicht, zu prangen dárauf ists angefangen. Logau;

Petulca war jüngst hin von ihrem mann entgangen, sprach, denkt ein wenig nach, worauf es angefangen: ein acker ist das weib, der mann der ist der baum, wann dieser wurzelt nicht, was soll ihm dann sein raum? 1, 8, 93;

obs wahr sei, was er sagt, drauf mag ein andrer fragen, er fängt es drauf nicht an, er wil nur dieses sagen, was anmut gibt und gunst. 3, 215. Endlich intransitives anfangen. Kant bemerkt, ziemlich ungenieszbar, 2, 365: das wort anfangen wird in zwiefacher bedeutung genommen, die erste ist activ, da die ursache eine reihe von zuständen als ihre wirkung anfängt (infit), die zweite passiv, da die causalität in der ursache selbst anhebt. auch die lat. coepit und incipit stehen passiv gleich dem goth. anastôdeiþ oder ustauh, explicit, oder unserm fängt an, hebt an, beginnt (gramm. 4, 54): ver esse coeperat, sed cum rosam viderat tum ver incipere arbitrabatur; der lenz fängt an, hat angefangen, man darf in gedanken ergänzen, zu erscheinen, einzutreten, wie bei fieng an, wenn es redete ausdrückt, zu reden, coepit loqui. ein anfangender leser ist der das buch zu lesen beginnt; die kinder aus langerweile fiengen erst unartig an, und aus ungeduld wurden sie unerträglich. Göthe 23, 133. Der intransitive sinn wird aber auch durch den reflexiven erreicht, sich anfangen = incipi: wie dasz rotten und zweiung sich sollen auch unter euch anfahen. Luthers br. 3, 4; zur selbigen zeit fangen sich die zäne an herausz thun. Uffenbach roszbuch 2, 5; in der lage, worin unsre bekanntschaft mit ihm sich anfängt. Wieland 1, 26; das ist das letzte was sich so anfängt. 27, 257; so fieng sich meine abneigung gegen das kloster an. Gotter 3, 35;

wie solch ein nützlicher roman fieng eure liebe sich einst an. 1, 44. in diesen stellen allen könnte das sich auch unterbleiben.

Letzte Änderung am 22.01.2018 durch V.S.
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