Wörterbuchangabe afal, frevil, frewel (DWB)
Wörterbuch | Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. |
---|---|
Fundstelle | Bd. 4, Sp 171- 175 |
Inhalt | frevel, frebel, procax, protervus, temerarius, ahd. fravali, frabari (s. hernach das subst. frabarî), mhd. vrevel, frebel, vrävel, einigemal auch frabel, nhd. frevel, frävel, Maaler 140a fräfel, im eigennamen Fröbel; ags. fräfel, fräfol, nur in prosa, nicht bei dichtern, engl. erloschen, schott. frewall, frewell (Jamieson 1, 438); nnl. frevel und wrevel (Kilian 149a), nd. wrevel, altn. ohne l frâr, norw. fraa. I) ein solches wort läszt sich kaum aus dem lat. frivolus (schwach, gebrechlich) ableiten, wenn schon Kilian und Jamieson gerade dieses beifügen und selbst neuere schriftsteller ans fr. frivole zu denken scheinen. denn die bedeutung des trotzes und die abgehende lautverschiebung widerstreiten. II) bei dem uralten wechsel zwischen labialen und lingualen (fliohan þliuhan, fruobaran fluobaran þrafstjan) wäre lat. tervus, tervia in protervus, protervia, vielleicht trux für terux und atrox zu erwägen. hinzu tritt jenes altn. frâr velox neben þrâr contumax, þrâ contumacia, die sich fast wie frëkr trux und þrekr robur verhalten. III) der häufige übertritt der bedeutungen procax, celer, laetus lenkt auch auf unser frech und froh ein, also zugleich auf fraus, fravi, frauja, wovon in der folge näher gehandelt wird. IV) nun aber hat sich neulich bei Jeroschin ein merkwürdiges forevel, betont forével = frevel und dazu das einfache evel dargegeben, wodurch auch das bildende l oder el aufschlusz empfängt: joch dër evele Tarquinius, dër dâ vant zum êrstin mâle alle mertirlîche quâle, sulche martir nie irvant. 9122, der evele, superbus, nach der Stuttgarter hs. die andere lesart gibt vorevele = vrevele, wie sonst in der chronik öfter. beides aber evel und frevel scheinen dem sinne nach dasselbe, ganz wie essen und fressen, und forevel gleicht dem farliosan, verliesen neben vliesen. auf Tarquinius ist evel oder frevel gerecht, wie in unserm thierepos auf den löwen der name Vrevel (Reinh. 1241. 1281), fr. Nobles, und die löwin Fiere oder Orgueilleuse heiszt, im ausdruck scheint erst edelstolz, kühn zu liegen, hernach übermütig, verwegen. zum grunde läge ahd. aval, robur, vis, ags. abal, altn. afl, woraus ein unüblich gewordnes adj. aval oder avili, ags. efele, vigore, robore pollens flösse, wie es einzig und allein in der angeführten stelle auftaucht. dem avalo, evilo entgegenstehen könnte der ubilo, ags. yfela, der böse, beide wörter aus derselben wurzel sprieszend. goth. für aval abrs validus, mit r statt l, jenes ahd. frabari aufnehmend, so dasz ein abr und abl vermutet und davon das adj. abreis, ableis fortis, frêbreis, frêbleis procax geleitet werden dürfte. ê wie in frêt aus fraat. demnach ist auch ahd. sowol frabari als frabali, fravali, faravili vorauszusetzen, wie für frëʒan ein farëʒan, forëʒan, goth. fraitan. faravili wird gleich hernach bei dem subst. frevel bestätigt werden. eine andere bestärkung gewährt ihm das ahd. frapald, frabald, procax, temerarius (Graff 3, 111), das sich zu pald verhält wie fravali zu avali. wer diesen versuch fravali aus fraavali, faravali zu erklären bezweifelt und in forevel nichts als unorganische erweiterung von frevel erblickt, müste geltend machen, dasz ein ähnliches verechter für vrechter, frachtschiffer vorkommt (oben sp. 47), wo der gedanke an fra oder for auszuschlieszen ist. ich bemerke, dasz auch im Kulmer recht forebil neben frebil geschrieben steht. wem aber in fravali, frevel die partikel enthalten scheint, der brauchte den unter II vorgetragnen zusammenhang mit frâr und þrâr doch nicht fahren zu lassen, da auch die partikeln aus lebendigen wurzeln stammen und frâr so gut mit fra, als þrâr mit lat. tra und trans verwandt sein kann. in trösten, þrafstjan, fruobaran, fluobaran läge zugleich confortare, confirmare. bedeutungen des adjectivs. 1) ahd. ist fravali immer nur protervus, procax, temerarius, contumax, improbus (Graff 3, 823) und unsere dürftigen quellen lassen den guten sinn von mut und kühnheit nicht hervorblicken. dem verlornen avali könnte er noch weniger abgehen, wie ëʒan edler ist als frëʒan. mhd. beispiele sind unselten: ër wart sô baldes hërzen, sô frevele und sô zam. Gudr. 98, 1; wan sîn wort daʒ was ein eit, dô bat ër als ein frävel man. Iw. 4585; wis milte, wis diemüete, wis frevel mit dër güete. Greg. 80; nu wis du frevel unde frô. 3796; die vrävelen helde sint nu dîn. Parz. 49, 13; het ër dën prîs behalten sô an vrävelen helden sô dîn lîp, für zucker gæʒen in diu wîp. 50, 15; ich vant ach unde wê, und siufzec manec hërze frebel (unrein : nëbel). 302, 13; dër kiusche vrävel man. 437, 12; waʒ hât dër bitter tôt getân an dëm clâren süeʒen kiuschen frebel (: nëbel). Wh. 253, 29; ditz überec frevel lëben hât in (den weibern) natûre gegëben und ein hêrlîcheʒ reht. krone 4345; dër junge hôchgeborne helt sô creftic und sô vrevel schein. tr. kr. 6309; sô bin ich frevel unde starc, noch fürhte keiner slahte dinc. 14490; dâ vielin von dër Prûʒin schar zwên edlinge vorebil : nëbil. Jeroschin 13531. nhd. zeigt sich diese milde bedeutung gar nicht mehr, doch dem gangbaren eigennamen Fröbel liegt sie wol zum grunde. 2) frevel galt von mutigen, kühnen thieren, vgl. DWB frech, DWB freissam und DWB freidig: von sîner herbërge gieng ër in dën walt, dô sach ër vil dër tiere frevele unde balt. Gudr. 100, 2; dekeineʒ (ors) nie sô vrevel wârt noch sô gar unmâʒen snël. tr. kr. 3852; der kranch vehten ist so stark und so frävel mit enander, daʒ man si mit der hant gevâhen mag. Megenberg 192, 7; das fliegengeschmeisz ist nie muthiger und frevler, als wenn die sonne am hellesten scheinet. Scriver Gotthold 149. 3) auch mhd. und nhd. frevel zeigen vorwiegend die bedeutung frechtrotzig, gewaltthätig und verwegen: wirstu alsô frevele, daʒ chumit dir unebene. Hartm. vom glouben 2828; dër wîsen wort sint senfte linde, dër tôren wort sint vrevel swinde. Renner 17717; du gebillest oder hetzest mêre dan ein vrabeler knëht. krone 17775; ich wæn, mir was entsliffen, ich enweiʒ wanne, dër sin, daʒ ich alsô vrabel bin. 26468; Laurencium den vrevelen man. pass. K. 384, 74; wan dirre was ein vrevel man. 497, 33; die vorevle diet. Jeroschin 8809; in vorevler gûf. 20405; und dâ bî dën helsen nam die brûdre mit vorevler hant. 20575; wie gesweige wir dise frevelen jungfrowen? myst. 13, 28; der wart frevil und gut richtere. 39, 23; ist dann das kind frefel, sol die straf herter und scherpfer sein. Keisersb. narrensch. 31b; das ist ein frefel, nerrisch urteil. 73b; auch waren sie so frefel gest, si wolten neur haben das allerpest. fastn. 784, 14; ein junger pfaf sasz hinderm tisch, ganz frefel und mit worten frisch. Wickram pilger P. bl. 53; ein frevel böser mensch wird verjagt und gestürzt werden. ps. 140, 12; das er muste von seinem freveln furnemen abstehen. 2 Macc. 5, 18; die andern aber erkennen ire gebrechen nicht und meinen, sie seien nu das sie sein sollen, allzeit ir selb vergessen, der andern leut frevel richter. Luther 1, 31b. 3, 12b; wie bist du so frevel, das du so grosze sünde machst? 3, 62b; den freveln schwermern. 3, 45a; so lang er auf dem frevel bildstürmen bleibt. 3, 45b; seine frevele faust und ungestüm. 3, 38a; das er einer frevel büberei braucht. 3, 445b; ist das aber nicht ein freveler geist? 3, 456a. 467a; so ist er frevel und frech. 4, 97a; die widerteufer sind zu frevel und frech. 4, 331a; nicht aus frevelm mutwillen. 5, 42b; das heiszt man auf deudsch ein scheiszbann, ich heisze es des teufels bann und nicht gottes bann, da man die leute bannet mit freveler that, ehe sie öffentlich überzeugt sind für der gemeine. 5, 234b; sondern vielmehr das augsburgische frevel urteil aufgeschoben. 6b; und ich weisz furwar, das solch seine thurstige, frevele gebot auch diejenigen mit schwerem gemüte ausrichten u. s. w. 6, 12b; aber itzt wissens die papisten, wollens aber nicht wissen, gehen frevel und thürstig dahin und verkeren Christus ordnung. 6, 103a; meinstu, es könne sein herz auf sein frevel und falsch wort zufrieden stellen? 6, 106a; und thust daran als ein böswicht und freveler felscher und lesterer. 6, 282a; viel so gehört haben, sie sollen gleuben, so sind inen alle sünde vergeben, tichten sie einen glauben und meinen sie seien rein, dadurch werden sie frevel und sicher. 7, 11a; Mahmet habe mit freveler gewalt genomen. 8, 29a; wie ir so frefel und kün seit die statt zu belegen. buch d. liebe 207, 4; das wer ein unverschamptes ding einerjungfrawen, dasz sie ire lieb einem ritter so aus freflem mut zu wissen thet. 234, 4; mit solchen frefeln worten. 238, 2; der teufel hat sich nit also frevel und grob merken lassen wie ietz. Frank chron. 356b; ein edelmann, der eine frevele haut war. Frey garteng. 55; wegen meiner freveln wort. Wickram rollw. 55; als ihr mich etwas fragten und ich euch ansahe, antwort auf euer rede zu geben, meinet ich in das bratens zu stechen und mit einem freflen stich traf ich mich selbst. Galmy 174; der bub mit freflen worten anfieng und sprach. 238; was ungewisses ausgangs ist, nicht anzufahen frefel bist (l. bis). Kirchhof wendunm. 92b; der vater erschrack vor des vollen jungen frefeln vorhaben. 241b; der frefel aber zeucht von leder. 278b; auf frischer that geubtes und begangenes unnothigen frevelen mutwillens. mil. disc. 219; andern frefeln mutwillern zum exempel. 223; blutgirig mit freveler hand. H. Sachs V, 318c; frevle zeugen. Melissus ps. O 5b; mit andern freveln worten mer. Schmelzl verl. sohn 8a; wie kanstu so frevel sein? Philand. 1, 244; wer sich ewerm schnöden freveln willen nicht undergibet. 2, 707; zu strafen frevle schuld. Gryphius 1, 50; das ohne geld steht feil, das keine frevle that hat den jemals gelehrt, der dran ihm liesz genügen. Logau 1, 51; als eingeschrieben sein in frevlen raubebund, der durch gebrauchten trotz der welt hilft auf den grund. 1, 97; heuchler thun mutwillig arg, sind ganz frech zu frevlen thaten. 2, 49, 77; wann die frevele hand lang ausgestrecket wird. pers. baumg. 1, 15; der frefle eisenbeiszer. Simpl. K. 2, 676; die frefle sünder. 2, 683; ein frefler landstürzer. 1, 930; Sabina ist dennoch so frevel ihm ein kind vor die thür zu setzen. westf. Rob. 17; dasz er seine freveln streiche ziemlicher maszen unterliesz. Felsenb. 1, 253; wegen der so frevelen spitzbuben. 2, 379; freveler soldat! irrg. d. liebe 506; drinnen haust auch ein mann von riesengestalt, der die herde einsam auf fernere weiden umher trieb, nie auch mit andern umgieng, sondern für sich auf frevele tücke (sp. stücke) bedacht war. Od. 9, 189; doch jenen gefiel ein freveler ratschlusz. 14, 337; drum erhebe sich nie ein mann zu frevelem unfug. 18, 141; nicht wie Tyndareos tochter ersann sie frevele thaten. 24, 199; wie durch frevele lust sei gekränkt das heilige bündnis. Ov. met. 14, 380; weswegen sie (die riesen) gar manches frevele, besonders auch gegen die guten zwerglein verübten. Göthe 23, 91; wir fanden aber, dasz man uns auf eine frevle weise zum besten gehabt hatte. 24, 329; die andern, statt solider dinge, erhaschen frevle schmetterlinge. 41, 46; erregt der nahverwandten wut nach der pygmäen frevlem blut. 41, 151; doch schlag an deine brust und gib vom frevlen glück ein mäszig schärflein gleich dem heiligthum zurück. 41, 299; den kampf, den das gesetz versaget, hast du mit frevelm mut gewaget. Schiller 65b. in der stelle 41, 46 könnte Göthe das fr. frivole im sinn gehabt haben. das früher so gangbare wort ist heute nur dichterisch und wird in der prosa durch freflich, frevelhaft oder andere ausdrücke vertreten. auch in der volksprache dauert das adj. nicht (schweiz. dafür freven), doch ist nd. een wreveln keerl ein rauher, grober kerl, een wrevel eten, eine widerliche speise, die sich wehret, dat rukt wrevel, das riecht widerlich. br. wb. 5, 297. Schütze 4, 477, vgl. lat. stomachosus. |
Letzte Änderung | am 22.01.2018 durch V.S. |
Link | http://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemma=frevel |
Lemmata |