LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe herireita (HRG)

Wörterbuch Cordes, Albrecht/Lück, Heiner/Werkmüller, Dieter: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRGdigital), URL: http://www.HRGdigital.de
Fundstelle Bd. 2, Sp. 855-858
Inhalt

Heerfahrt H. bedeutet zum einen Kriegszug und zum anderen die Verpflichtung zur Heerfolge in Form der Teilnahme an der Heeresversammlung in militärischer Ausrüstung sowie am Kriegszug selbst. Der → Heerbann, die Entscheidungs- und Befehlsgewalt im → Krieg, kam dem → König zu. Die H. erforderte aber spätestens seit dem 11. Jh. die Zustimmung der principes (MGH Const. I, 81, 133). Zur Heerfolge verpflichtet waren in fränk. Zeit alle freien, waffenfähigen Männer (→ Freie), ebenso wie sie auch der Dingpflicht unterworfen waren und im → Gericht ihr Recht selbständig wahrnehmen konnten. Nur sie bildeten das → Volk, dem in der Heeresversammlung und im → Ding eine mehr oder weniger ausgeprägte Form politischer Mitwirkung möglich war. Dagegen waren → Unfreie und → Minderfreie von diesen Funktionen ausgeschlossen. Während sich das → Heer der merow. Könige aus Bauernkriegern zusammensetzte, die zu Fuß kämpften, bildeten seit Karl Martell und insbesondere unter → Karl dem Großen schwer gepanzerte Reiterkrieger die Kerntruppen des Heeres, wenn diese auch der Zahl nach kleiner waren als die Fußtruppen. Die Panzerreiter „(loricati) erhielten zur Finanzierung ihrer kostspieligen Ausrüstung Land als Lehen (→ Lehnrecht, Lehnswesen), sodass sich aus ihnen ein reiner Kriegerstand entwickelte. Ein Kennzeichen für die Bedeutung der schweren Reiterei ist die Verlegung der Heeresversammlung aus dem März (Märzfeld) in den Mai (→ Maifeld), weil in diesem Monat das Futter für die Pferde einfacher zu beschaffen war. Obgleich die Heeresversammlung sich bereits in der Karolingerzeit angesichts der Größe des Reichs (→ Fränkisches Reich) auf Teilaufgebote beschränkte, wurde die Pflicht zur H. zu einer Belastung für die → Bauern, auch deswegen, weil jeder Krieger die Kosten für seine Ausrüstung und Verpflegung selbst zu tragen hatte. Karl der Große ordnete daher in den Jahren 807 und 808 an, dass zur H. nur verpflichtet war, wer über vier → Hufen Land verfügte. Einen Brustpanzer musste tragen, wer 12 Hufen oder mehr besaß (MGH Cap. 48f., 134ff.). Kleinere Grundbesitzer wurden zu Gestellungsverbänden zusammengeschlossen, um die Kosten für die Ausrüstung und Unterhaltung eines → Soldaten gemeinsam zu tragen, dessen Auswahl häufig dem → Grafen zukam, der als militärischer Befehlshaber das Heeresaufgebot einer Grafschaft anführte. Die Freistellung von der H. führte zunächst zu einem politischen Bedeutungsverlust. Auf längere Sicht drohte zudem die Abhängigkeit von einem lokalen Großen. Im Verlauf des 9. Jh.s versuchten viele → Freie, dem drückenden Kriegsdienst zu entgehen, indem sie ihr Land einer Bischofskirche oder „Abtei (→ Abt, Abtei) zu Lehen auftrugen. Für die Heeresorganisation waren während der folgenden Jh.e die fränk. regna, aus denen im späten 9. Jh. die Stammesherzogtümer entstanden, von Bedeutung. Die Truppen eines regnums wurden jeweils angeführt vom → Herzog und von den → Bischöfen, Äbten und Grafen, die mit ihren → Vasallen jeweils eigene Heereskontingente bildeten. Kleinere Truppenkontingente formierten zudem die übrigen unmittelbaren Königsvasallen (vassi dominici; → Kronvasall) aus ihren eigenen Vasallen. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass immer nur ein Teil der tatsächlich kampffähigen Waffenträger zur H. aufgeboten wurden, während der vermutlich größere Teil als Reserve und zum Schutz vor Einfällen fremder Truppen vor Ort zurückblieb. Mit Bauernkriegern organisierte König → Heinrich I. noch die Verteidigung des östlichen → Sachsens. Jeweils neun Bauern waren zur Unterhaltung einer → Burg verpflichtet, von denen einer in der Burg Wachdienst leistete, während die anderen dessen Land mitbestellen mussten (Widukind von Corvey I, 35). Eigens ausgebildete Reiterkrieger wurden jedoch von Heinrich I. 933 gegen die → Ungarn eingesetzt (Widukind von Corvey I, 36, 38). Zu Fuß kämpften sächsische Heereskontingente unter → Otto I. dem Großen sogar noch in → Frankreich. Seit der Mitte des 10. Jh.s wurden allerdings kaum noch Fußtruppen aufgeboten. Ihre Italienzüge haben die Ottonen mit einem Vasallenheer aus Panzerreitern durchgeführt, das in erheblichem Ausmaß von der → Reichskirche bereitgestellt und angeführt wurde (MGH Const. I, 436, 633). Für den Notfall eines Angriffs äußerer Feinde blieb die allgemeine Pflicht zur Heerfolge aller Freien als Landwehr (→ Landmiliz) jedoch noch bis in das 11. Jh. bestehen. Seit dem frühen 11. Jh. sind auch unfreie Reiterkrieger (→ Ministeriale) nachgewiesen, für deren Ausrüstung der Dienstherr teilweise aufkam (Burchard von Worms, Hofrecht, MGH Const. I, 438, c. 29).[...]

Letzte Änderung am 02.07.2020 durch HiWi
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