Wörterbuchangabe gi-fêh, faida, faidosus, fraida (RGA)
Wörterbuch | Beck, Heinrich/Brather, Sebastian/Geuenich, Dieter/Heizmann, Wilhelm/Patzold, Steffen/Steuer, Heiko: Germanische Altertumskunde Online. Kulturgeschichte bis ins Frühmittelalter - Archäologie, Geschichte, Philologie. (2010). Berlin, Boston: De Gruyter. |
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Fundstelle | Bd. 8 |
Inhalt | Fehde: [...] Im Edictus Rothari (c. 45 und 74) wird faida mit lat. inimicitia erläutert (dazu 1, 87. 89). Faida in den Kapitularien, wo sich die meisten Belege finden, und in der L. Sax. bedeutet ,Fehde, Rache, Blutrache‘. Für faidus in den Kapitularien und in der L. S. ist die Bedeutung ‚Geldsumme zum Freikaufen von Strafe, Fehdegeld‘ belegt. Das Adj. faidosus hat in den Kapitularien, der L. Bai. und der L. Fris. die Bedeutung ,von (Blut-)-Rache bedroht, der Blutrache verpflichtet, der Blutrache unterliegend, in Fehde befindlich‘, substantiviert: ‚einer, der eine Blutrache hat‘ [...]. In neuerer Zeit wird faida wieder mit *faihiþō- verbunden, für das Langob. mit Hinweis auf ebenfalls W. L. van Helten (6, § 182*) stellt auch faida in der L. S. zu germ. *faihiþō-. Hierbei treten zwei lautliche Schwierigkeiten auf. Soweit das aufgrund des volkssprachigen Materials, speziell der malbergischen Glossen, in der L. S. beurteilt werden kann, wird germ. ai im Salfrk. zu ē monophthongiert, ausgenommen reipus ‚Reifgeld‘ (14, 409). Von der Monophthongierung scheint nur ai vor Nasal ausgenommen zu sein, bei dem offenbar gesprochenes ae i zugrundeliegt, das 〈a〉 geschrieben wird (14, 409). Das hängt mit der palatalisierten und nasalierten Aussprache von lat.-am- durch die galloroman. Schreiber zusammen, die deshalb die vorauszusetzende urspr. Graphie als Darst. einer solchen Lautgruppe auffassen konnten und sie in umsetzten (6, 244). Germ. /h/ wird im Salfrk. auch intervokalisch nicht zum Hauchlaut, sondern als Fortis artikuliert, weshalb normalerweise dafür die Graphie erscheint (6, § 6ß, 252 f.). Wenn dieses in einigen Fällen ganz verschwindet, liegt das daran, daß es in einem ersten Tradierungsschritt durch ersetzt wurde, das dann nach dem Muster vulglat. Schreibungen fortgelassen werden konnte (6, § 4, 247). Insgesamt wäre aber bei der Überlieferung eines volkssprachigen Wortes in den Legeshss. ein Nebeneinander der Graphien zu erwarten, also im vorliegenden Fall *fechida, fehida, feida. Jedoch treten -Formen nicht auf. Die Art, in der van Helten faida dennoch an faihiþō- anbinden will, wirkt nicht überzeugend, denn er spricht in diesem Fall davon, daß h geschwunden sei (was allenfalls graphisches Phänomen sein kann), und daß entweder a oder ai für salfrk. ai vorliege, also fahi- > fai-, fei- oder faihi- > fai-, fei-. Das einer überlieferten Form fedo sei entweder eine durch voranstehendes freto veranlaßte Verschreibung oder repräsentiere durch Anlehnung entstandenes ē (6, § 182, S. 508). Diese Ausführungen stimmen demnach nicht zu dem ansonsten für germ. ai postulierten Entwicklungsgang und der dazugehörigen Graphie. Unter anderem aufgrund des gänzlichen Fehlens von in der Überlieferung vertraten D. van Kralik (8, 29) und W. Bruckner (2, 98) die Auffassung, daß faida nicht zu germ. *faihiþō- gestellt werden könne. Es handle sich um eine Ableitung mittels þ zur Wurzel germ. *fai-, die ihrerseits im Ablautverhältnis zur germ. Wurzel *fi- ‚hassen‘ stehe (8, 29), so daß germ. *fai-þ-ō- anzusetzen sei. In neuerer Zeit wird faida wieder mit *faihiþō- verbunden, für das Langob. mit Hinweis auf ebenfalls -loses fadarfio, dessen Grundwort zu ahd. fihu zu stellen ist (12, 47), oder ohne Begründung (5, 71). Vielleicht liegt ein Weg zur Lösung des Problems darin, faida in der L. S. eben nicht als Produkt spezifisch salfrk. Lautentwicklungen anzusehen, sondern als mlat. Rechtsterminus volkssprachiger Grundlage, dessen Gestalt bereits vor Eintritt in die salfrk. Rechtsaufzeichnungen festgelegt war. Überhaupt ist zu beachten, daß die meisten der mehr als 60 die L. S. überliefernden Hss., von denen mehr als 50 die karol. Emendata-Fassung enthalten (3, 16), nach den Datierungen von B. Bischoff aus dem 9. Jh. stammen (11, XIII-XXVII; früher teilweise als jüng. datiert, siehe 10, xiv-xxii; zur methodischen Problematik 7). Der Genuswechsel zu faidus in der lat. Überlieferung dürfte auf Analogie zu fredus ‚Friedensgeld‘ zurückzuführen sein, mit dem faidus in der stabreimenden Paarformel inter freto et faido ‚sowohl Friedensgeld als auch Feindschaftsgeld‘ in der L. S. erscheint (6, § 182*, 507; 8, 29). [...]. Das Grundmuster der germ. F. zeichnet bereits Tacitus. Germ. c. 12 und c. 21 sind hier zusammen zu sehen und geben folgenden Tatsachenkern, dessen Richtigkeit nicht zu bezweifeln ist (vgl. Much in: 15, 107). F. (inimicitias) ist nicht Angelegenheit des einzelnen, sondern der gesamten Verwandtschaft und derer Freunde. Entsprechend empfängt auch die Verwandtschaft, das „Haus“ (domus), im Falle der Beendigung der F. im Wege der Sühneverhandlung die Buße, denn die Fehden dauern nicht endlos. Die Buße besteht in Naturalleistungen certo armentorum ac pecorum numero. Eine F. kann aber auch durch den Austrag vor dem „Gericht“ (consilium) beendet werden. In diesem Falle wird ein Teil der Buße an den König oder die „Gemeinde“ als Sühnevermittlungsgebühr (Friedensgeld) entrichtet. „Fehdegang“ und „Rechtsgang“ stehen also in dieser frühesten Qu. bereits für die Beendigung der F. zur Wahl [...]. |
Letzte Änderung | am 12.01.2018 durch V.S. |
Link | http://www.degruyter.com/view/GAO/RGA_1507 |
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