LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe gisil (RGA)

Wörterbuch Beck, Heinrich/Brather, Sebastian/Geuenich, Dieter/Heizmann, Wilhelm/Patzold, Steffen/Steuer, Heiko: Germanische Altertumskunde Online. Kulturgeschichte bis ins Frühmittelalter - Archäologie, Geschichte, Philologie. (2010). Berlin, Boston: De Gruyter.
Fundstelle Bd. 10
Inhalt

Geisel: Die G.-Wörter in den alten germ. Einzelsprachen - ae. gīsel, gȳsel m., as. gīsal m., mnd. gīsel(e), gīsle m. (woneben vereinzeltes gīse; vgl. § 2), mndl. gīsel m., ahd. gīsal m., mhd. gîsel m./n. (alle: ,G., Bürge), langob. gīsel (z. B. E. Roth. 172), Bürge, Zeuge, aisl. gísl m.a, gísli m.n ,G.neben f. Pl. , G.n, Bürgen; Sicherheit(en) - weisen auf germ. *gīsla- zurück [...]. In der agerm. Namengebung findet sich *-gis(a)la-, *-gisila- in Hintergliedern zweistämmiger PN häufig verwendet, z. B. ostgot. Οὐλιγίσαλος, w-frk. Aregisilus, urnord. A(n)sugisalas Gen.; Gisla- als Vorderglied ist selten, aber gut bezeugt, z. B. burg. Gislaharium Akk. (Belege: 18, I; Zusammenstellung: 18, II, 522 ff.). In PN wie hispano-got. Gisclamundus bzw. Frugisclus zeigt sich roman. Substitution [skl] für germ. [sl] (4, 229 ff.; 15, § 331; vgl. 24, § 125). Es bieten sich zwei - etym. voneinander zu trennende (überholt: 23, 65; 12, 47; zustimmend: 22, 88; 7, 148) - appellativische Grundlagen, die in den PN nicht immer sauber auseinanderzuhalten sind. In einigen Fällen kann an das G.-Wort *gīsla- angeschlossen werden, etwa bei langob.᾽Ιλδιγισάλ oder urnord. A(n)sugisalas Gen. (beide mit anaptyktischem a). In der Mehrzahl der PN wird, wie auch i in der Mittelsilbe (Are-gisilus) anzudeuten scheint, eine in langob. gisil ,Pfeilschaft(wohl mit /ī/ in der Wurzelsilbe, vgl. aisl. gísli m.n ,Schistock) fortgesetzte Bildung mit Suffix *-ilaō(n)- (Gerätebezeichnungen; vgl. 11, 87) zugrunde liegen, die im Ablaut zu ahd. geis(i)la f.ō/n ,Geißelusw. (< urgerm. *gais o , woneben *gaiza- {rb} ahd. gēr m. ,Speer usw.) steht (wohl uridg. *aHi- {rb} *- ai- [vgl. gall.-lat. gaesum ,Wurfspieß] : *- Hi- {rb} *-iH- {rb} *- ī-); das Etymon wird auch als (poet.) Mannbezeichnung gedient haben (22, 88) [...]. G. ist in zwei Bedeutungen 1. ,Gefangener, der mit seinem Leben für bestimmte Forderungen einstehen muß und 2. ,Kriegsgefangenerfrüh in verschiedenen germ. Sprachen belegt. Die Bedeutung ,Kriegsgefangener, den der Sieger aus Gnade oder Edelmut und nicht als Bürgen für spätere Leistungen am Leben läßt, findet sich in verschiedenen mhd. Belegen (z. B. Gudrun 804,1; 1600,1; 1610,3; Nibelungen 189,3; 216,3; 2274,1). Im Frühnhd. verliert sich diese Bedeutung: Eine Hs. des Nibelungenliedes aus dem 15. Jh. ersetzt gîsel durch gefangener. Auch in vorahd. und ahd. Zeit ist G. in dieser Bedeutung nicht belegt. Ahd. kîsal usw. glossiert lat.obses oder vades (1, I, 467; II, 6; II, 614). Dies kann allerdings ein Reflex der röm. Rechtsordnung sein, in der die Geiselschaft eine wichtige Rolle spielte. Auch J. Grimm (6) nimmt ,Kriegsgefangenerals Ausgangsbedeutung an, will aber von ,Speergefangener sprechen, wobei Speer eine Person bezeichnet, den besten Kämpfer eines Herren, der stellvertretend (unter Betonung des Bedeutungsaspekts der Vertreterschaft) für den Herrn Kriegsgefangener wird. Als Beleg führt er neben Eigennamen auch die Stelle im Ed. Roth. 224 (MGHLL IV, 54) an, in der gaida und gisil ,Pfeilund ,Pfeilschaft eine zentrale Bedeutung bei der Freilassungszeremonie eines Knechtes (dazu auch 11; 9) zur vollen Freiheit haben [...].

Letzte Änderung am 11.01.2018 durch V.S.
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