LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Wörterbuchangabe frevil, afal, frewel (RGA)

Wörterbuch Beck, Heinrich/Brather, Sebastian/Geuenich, Dieter/Heizmann, Wilhelm/Patzold, Steffen/Steuer, Heiko: Germanische Altertumskunde Online. Kulturgeschichte bis ins Frühmittelalter - Archäologie, Geschichte, Philologie. (2010). Berlin, Boston: De Gruyter.
Fundstelle Bd. 9
Inhalt

Frevel: Im Ahd. ist ein starkes Fem. mit dem Abstraktsuffix -ī, fravalī, bezeugt. Was die Textdenkmäler betrifft, die im engeren Sinne ahd. zu nennen sind, kommt das Wort bei Otfrid und Notker vor und trägt hier die aktuellen Bedeutungen ,F., Übeltat, Vergehen, Vermessenheit(14, 57). Das dem -ī-Abstraktum zugrundeliegende Adj. fravili ist bei Otfrid belegt und hat die Bedeutungen ,frevelhaft, böse; vermessen, stolz (14, 57); häufiger kommt es in den Glossen vor (1, III, Sp. 1201). Das Subst. ist dann noch in der Bamberger und Wessobrunner Beichte in Überlieferungen des 12. und 11. Jh.s bezeugt (15, 145, Zeile 10 f.) und ansonsten in den Glossen, wofür das Ahd. Wb. (1, III, Sp. 1202 f.) die Bedeutungen ,Heftigkeit, Ungestüm, Verwegenheit, Unüberlegtheit, Unbesonnenheit, Vermessenheit, Überheblichkeit, Anmaßungannimmt. Es geht hier im wesentlichen um auf das lat. Lemma temeritas in seinen verschiedenen aktuellen Bedeutungen reagierende Interpretamente. Daneben kommen als Lemmata protervia und protervitas vor, was in den Bereich des auch mit superbia Bezeichneten führt. Die aktuelle Bedeutung ,F. kommt demnach in den Textdenkmälern des Ahd. nur bei Otfrid vor (1, III, Sp. 1203). Ahd. Synonyme für diese aktuelle Bedeutung sind in den liter. Denkmälern des Ahd. das starke Neutr. mein ,F., Sünde, Unrecht, Missetat(Otfrid, Notker [14, 124]), das starke Fem. firintāt ,Übeltat, F. bei Otfrid (14, 53) und das starke Fem. meintāt ,F., Sünde, Verbrechenim Carmen ad Deum, bei Otfrid und Notker (14, 125). Das Syntagma unmuoza sīn, wesen bei Notker bedeutet unter anderem ,frevelhaft sein (14, 212) [...]. Bei Wörtern, die ein Höchstmaß an positiver Eigenschaft des Menschen bezeichnen, kann sich auch die Möglichkeit ergeben, das bei diesen Menschen in der außersprachlichen Wirklichkeit womöglich zu beobachtende Umschlagen des maximal Guten in das Übermaß und damit Negative zu bezeichnen. So hat etwa lat. audacia die Bedeutung der Kühnheit im guten Sinne, ,der kühne Mut, das Wagnis, wie im schlechten, ,Verwegenheit, Vermessenheit, Dreistigkeit und dgl. (4, I, Sp. 710 f.). So ist es auch verständlich, daß eine Bezeichnung des Übermaßes wie fravalī, die sich in der frühestbezeugten Sprachstufe des Dt. ausschließlich als eine solche zeigt, später auch mit einer Bedeutung vorkommt, die die Abmilderung der Übertreibung bis hin zum Diesseits der Grenze von Viel und Zuviel bezeichnet. Das ist im Mhd. der Fall, wo 3 Bedeutungsstränge sichtbar werden: 1. ,Mut, Kühnheit, Unerschrokkenheit; 2. ,Gewalttätigkeit, Vermessenheit, Verwegenheit, Übermut, Frechheit; 3. ,rechtliches Vergehen, bes. ein geringeres, geldsühnbares Vergehen und die Geldstrafe dafür(10, III, Sp. 503 f.) [...]. Etym. gehen die w-germ. Wortbildungsprodukte auf eine Präfixbildung *fra-afla- zurück. Unpräfigiert erscheint (6, 2) das Wort als Subst. afol, abal ,Macht, Stärke, (körperliche) Kraft im Ae. (3, 27, 2) sowie als afl ,(Körper-)Kraft, Stärke; Macht; zahlenmäßige Stärke, Stimmenmehrheit` im An. ([2, 7]; siehe auch [5, 19]) [...].

Letzte Änderung am 11.01.2018 durch V.S.
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Lemmata