LegIT

Der volkssprachige Wortschatz der Leges barbarorum

Literatur Niederhellmann, Annette: Arzt und Heilkunde in den frümittelalterlichen Leges. Eine wort- und sachkundliche Untersuchung. (chuldachina)

Autor Niederhellmann, Annette
Titel Arzt und Heilkunde in den frümittelalterlichen Leges. Eine wort- und sachkundliche Untersuchung.
Weitere bibliographische Angaben Berlin/ New York 1983.
Fundstelle S. 275ff.
Zitat

chuldachina ist eine malbergische Glosse aus dem PLS (Tit. 29,10/11) und der Lex Salica (Tit. 48,8/9). Dabei kommt sie jeweils mit anderen Glossen in Kombination vor. Für die Deutung der Glosse gehen die Forschungsmeinungen weit auseinander. Für die Kombination von chuldachina mit chamin/ chamina setzt Grimm die Bedeutung 'Lähmung des Fußes' an, dabei interpretiert er chamin als 'Hand, Finger', was auch für den Fuß stehen könnte und chuldachina stellt er zu got. halt(s), ae. healt, ahd. halz 'verstümmelt, lahm, hinkend'. Kern nahm an, dass der zweite Bestandteil des Wortes eine Verschreibung von thêna oder thêhna 'von den Zehen', zu as. tâ(h), ahd. zeha 'Zeh', sei. Chalde- dagegen bezöge sich auf lat. teneat 'behalten, bleiben', insgesamt also chalde têhna chamina 'dass er behalte Zehenlähmung'. Im PLS steht zudem noch chuldachina sichte, welches er mit 'dass er behalte Zehenverstümmelung' übersetzt. Inhaltlich sind jedoch diese Deutungen bedenklich. Van Halten und Jungandreas stellen das Erstglied zu an. hold 'Körper, Fleisch', van Helten erschloss für das Zweitglied zudem salfr. *aglīn 'Verletzung', sodass sich eine Gesamtdeutung von 'Körperverletzung' ergibt. Die Interpretation des Zweitgliedes ist jedoch nicht akzeptabel. Eine mögliche weitere Deutung für das Erstglied wäre eine Verbalsubstantivierung zu ae. Holdian, hyldan, aisl. hylda 'abhäuten, Fleisch aufschneiden', weiter zu idg. *(s)kel 'schneiden' bzw. *kel- 'schlagen, hauen', in der Bedeutung 'Schnitt'. Zu dieser idg. Wurzel ist auch das bereits genannte got. halts, ae. healt, ahd. halz 'lahm, hinkend' in gleichen Kontext zu suchen. Das zweite Kompositionsglied china kann zu einem chamin(a) 'Verstümmelung, Lähmung, Funktionsunfähigkeit' sein. Es ist anzunehmen, dass die Verkürzte Form von chamin(a) in der verkürzten Form nicht mehr verstanden wurde und somit die Doppelung in der Glosse zu erklären ist. Je nach Deutung des Erstgliedes lässt sich die Bildung mit 'Körperverstümmelung' oder mit 'hinkend, lahm durch Verstümmelung' übersetzen.

Lemmata
  • chuldachina