Literatur Seebold, Elmar: Malb. Leodardi und die altfriesischen Gesetze (leodardi)
Autor | Seebold, Elmar |
---|---|
Titel | Malb. Leodardi und die altfriesischen Gesetze |
Weitere bibliographische Angaben | Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur, Band 129, Heft 1, Seiten 8–17. [Onlineversion zugangsbeschränkt] |
Fundstelle | S. 8-17 |
Zitat | Die Bedeutung des Wortes leodardi ist sehr umstritten, da es an mehr als einem Dutzend Fällen in den Text eingefügt ist und völlig unterschiedliche Sachverhalte glossiert. Durch den altfriesischen Rechtsterminus leodwerdene würde sich die verbreitete Interpretation des Erstgliedes als singularische Verwendung von Leute und das Zweitgliedes als afries. werdene „Beschädigung, Verletzung, Beeinträchtigung“ anbieten, also „Mann-Verletzung“. Weit verbreitet ist auch die Annahme, dass das Wort keine Bedeutungsschärfe hat und sich eher auf das Strafmaß, als auf den Tatbestand bezieht und daher als „Mannbuße“ zu übersetzen ist. Daneben gibt es den Ansatz, dass das Zweitglied *ard „Ackerland“ sein könnte, und so der „Besitz des Freien“ gemeint sei. Am intensivsten hat Franz Beyerle (1972) das Wort beforscht und interpretiert das Wort als Indikator, dass die Bestimmung ausschließlich für neustrisches Terretorium zu verstehen ist, morphologisch aus: as. ard, ahd. art „Gelände“ zu „Gelände von [unseren] Leuten“. Diese Interpretation ist jedoch sehr unwahrscheinlich, da im Text verschiedene Bevölkerungsgruppen explizit unterschieden werden. Bei dem Wort liegt wohl eine sekundäre Erweiterung und Verschleppung vor, sodass zur philologischen Analyse die Belege der Lex Salica herangezogen werden müssen, bei denen es keine konkurrierenden Glossen gibt. Daraus ergibt sich, dass leodardi im Grunde für Bagatelldelikte verwendet wird, nicht aber für Angriffe auf Menschen oder qualifizierten Diebstahl. Worum es aber inhaltlich geht, bleibt unklar. Durch die Analyse altfriesischer Gesetzestexte im Vergleich zur Lex Salica und der darin enthaltenen Glosse liudwerdene, lässt sich ein besonderes Merkmal herausarbeiten: Sowohl die friesische als auch die fränkische Verwendungsart scheint auf eine geringe Straftat mit erschwerenden Folgen abzuzielen. Der Täter ist für diese nicht unmittelbar verantwortlich, sie leitet sich aber direkt daraus ab und war absehbar. So ist beispielsweise der Diebstahl einer Glocke eines Leittieres nicht in deren Wert zu bemessen, sondern in dem potentiellen Schaden, den die Herde dadurch erleiden kann. Ebenso zeigt sich diese Semantik bei der körperlichen Auseinandersetzung mit einer Frau: Ist diese schwanger, kann der Schaden für sie und das Ungeborene deutlich gravierender ausfallen, und somit fällt dieser Fall ebenso unter den Rechtsterminus. Allerdings ist zu bemerken, dass die friesischen Belege meist auf Leben und Tod abzielen, während in der Lex Salica hauptsächlich Bagatellen darunter fallen. Im Vergleich mit der Glosse wirodarde (Handschrift C6 der Lex Salica, wira- „Mannheit“ und dardi für Schädigung), bei der es um die Verstümmelung eines männlichen Geschlechtsglieds geht, ergibt sich für leodardi nicht die Trennung der Wortglieder in leod-ardi, sondern in leo-dardi, also auch fries. lio-dwerdene. Der Anlaut des Zweitgliedes wäre also *dwar-/dwer-, was zu idg. *dhwer- „durch Täuschung, Hinterlist zu Fall bringen, schädigen“ passt. Das Erstglied könnte zu gm. læ ̄wa "Vorwand, Gelegenheit" (gt. lew, verbal lewjan "verraten") gehören, also ingesamt "Beeinträchtigung durch Im-Stich-Lassen“. Das fränkische Rechtswort stellt womöglich eine Verharmlosung des Wortes oder der der gesamten Rechtsvorstellung dar, aber die Besonderheit der Rücksichtslosigkeit und mittelbaren Verantwortung tritt auch hier ein. |
Link | https://www.degruyter.com/view/j/bgsl.2007.129.issue-1/bgsl.2007.8/bgsl.2007.8.xml |
Lemmata |