Wörterbuchangabe hûssuohha (HRG)
Wörterbuch | Cordes, Albrecht/Lück, Heiner/Werkmüller, Dieter: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (HRGdigital), URL: http://www.HRGdigital.de |
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Fundstelle | Bd. 2, Sp. 825-829 |
Inhalt | Haussuchung H. (lat. scrutinium, inquisitio, furtum quaerere; bair. salisohan, altwestnord. rannsak, rannsokn, altdän. ransak, asw. ransakan, afrk. hussuacha, altbair. selisochan, mnd. hussokynge, mhd. Hussuoche) ist eine prozessuale Maßnahme, die dem Auffinden von → Sachen oder auch der Festnahme von Menschen dient. Die H. ist ein altes idg. Institut der Fahrnisverfolgung (→ Fahrnis, Fahrhabe). Ihre große Bedeutung erklärt sich aus dem Charakter des → Hauses als Sakral-, Friedens- und Rechtsort und dem hohen Wert des → Hausfriedens. [...] Antike und nordgerm. Nachrichten einer ältesten Schicht betreffen die Formen der H. Danach musste der Haussucher nackt, teilweise entkleidet oder in bestimmter Weise gekleidet sein. An v. Schwerin anknüpfend ist Goldmann dafür eingetreten, dass der Brauch der → Nacktheit oder teilweisen Entkleidung eine zauberische Wirkung haben sollte, nicht anders als der schwer deutbare, aus dem alten röm. Recht „berichtete Formalismus von lanx und licium (Gaius Inst. III 192; Festus; Gellius). Zuletzt hat Wolf alle drei Erfordernisse des röm. Rechts als einen (den Laren geltenden?) Opferritus gedeutet und die Bedeutung der Nacktheit als Zeigen der Waffenlosigkeit betont. Diese magischen oder religiösen Formen waren bereits antiken Autoren nicht mehr verständlich und finden im westlauwerschen Schulzenrecht (§ 64, v. Richthofen, Fries. RQu.n 397) die rationalistische Deutung, Nacktheit oder teilweise Entkleidung sollten ein Einschleppen des Diebesguts durch den Haussucher verhindern (Gegenstand einer H. waren aber ursprünglich in erster Linie Sklaven und Vieh!). Anders als offene Gewaltdelikte werden → Diebstahl oder Entlaufen weniger durch Nacheile als durch → Spurfolge manifest, wenn an deren Ende eine erfolgreiche H. steht. Den röm. Zwölftafeln (8, 15) ist der fur manifestus schlechthin durch H. überführt. Entsprechend knüpfen germ. Quellen eine H. an eine vorangegangene Spurfolge (→ Lex Burgundionum 16.1; → Lex Ribuaria 47; Beyerle/Buchner, 49). Mit dem Auffinden der Sache galt der Hausherr als handhafter Dieb (→ Handhafte Tat). Eher als ein entlaufender Sklave wird Vieh eine deutliche Spur hinterlassen und dürfte als geldgleicher Wertträger in früherer Zeit häufigster Gegenstand von Diebstahl gewesen sein. Aber zunehmend werden auch andere Gegenstände gestohlen worden sein. Schon die → Lex Romana Burgundionum (12.1) kennt animalia aut res suas als Gegenstand einer H. und lässt jedweden Verdachtsgrund gelten: ubi suspicionem inveniendi furtum habet, ingediatur. Mit „Zurücktreten der Spurfolge wurde die Weigerung des Hausherrn zum Merkmal der Handhaft, sofern sich die Sache im Hause fand (Pact. Leg. Sal. 10; L. Rib.47.2). L. Rom. Burg. 12.1 – im Anschluss an Gaius III, 188 – L. Burg 16.1 und spätere skandinavische Quellen (Saar, 76) erwähnen nicht einmal, dass die Sache im Haus gefunden worden sein muss; eine Pflicht, sein Haus jedem Haussucher bei Strafe zu öffnen, kann es aber kaum gegeben „haben. Was galt, wenn der Hausherr weder der H. noch der Ansichnahme der Sache durch den Haussucher entgegengetreten war, und ob der Haussucher dann die Diebstahlsklage hatte, kann den Quellen nicht entnommen werden. Nur wenn der Haussucher keiner Spur gefolgt war und auch kein anderer Verdachtsgrund gegen den Hausherrn sprach, konnte sich dieser auf derivativen Erwerb berufen, indem er seinen Vormann im → Besitz benannte (intertiare). Wenn der Haussucher durch Anschlagen der „Sache (→ Anefang) seine Rechtsbehauptung aufrechterhielt, musste der Besitzer die Gestellung des Gewähren verbürgen (adchramire) und schied mit dessen Eintritt, indem er (Dritthandverfahren). Da sich der Hausherr nur außerhalb von Spurfolge oder anderweitigem Verdachtsgrund verteidigen konnte, müsste er von Anfang an die Möglichkeit gehabt haben, sich auch auf originären Erwerb zu berufen. Gegen die Klage des Haussuchers konnte das frühe Prozessrecht eine Spezifik der materiellrechtlichen Verteidigung des Beklagten aber gar nicht abbilden; nur für die Werbung von testes, später auch für die Fassung der Eidesformel (→ Eid) kann es darauf angekommen sein, „womit sich der Hausherr verteidigte, mit Produktion oder Erwerb durch Erbgang. → Lex „Salica (62.3) berücksichtigt den Fall, dass der Hausherr sich lediglich die ihm gestohlene Sache wieder geholt hatte. Haussucher und Hausherr trugen jeder ein Risiko: der Hausherr, wenn er die H. verweigerte und die Sache dennoch bei ihm gefunden wurde, der gewaltsame Haussucher, wenn die Sache nicht gefunden wurde. Man wird nicht sagen können, dass der Hausherr in jedem Fall zur Öffnung seines Hauses verpflichtet bzw. der Haussucher zu Gewalt berechtigt war; immerhin kommt → Lex Baiuvariorum (11.5) ersterem „nahe, wenn danach der sich weigernde Hausherr mit einer der gesuchten gleichwertigen „Sache zuzüglich 50 → Schillingen an den → Fiskus büßt. Diese Bestimmung dürfte missverstanden werden, wenn erwogen wird, dass die Bußpflicht unabhängig vom Ergebnis der H. eingetreten sei (Beyerle im Sachkommentar, L. Rib., 145). Die Bestimmung zielt vielmehr auf den Fall, dass die Weigerung des Hausherrn die durch Spurfolge indizierte H. verhindert hatte. Weil andererseits der „eigenmächtige, erfolglose Haussucher in eine → Buße von 6 Schillingen fällt (11.2), möchte man annehmen, dass bei verweigerter H. der Besitz des Hausherrn anderweitig zu Tage gekommen sein muss. Die höhere Strafdrohung gegenüber dem die H. verweigernden Hausherren diente offenbar dem Ziel, jeden Streit an der → Haustür zu verhindern: nemo enim ingediatur alienum domun per violentiam, quia hoc scandalum nascitur (11.3). Nach L. Baiuv. (11.4) büßt der gewaltsame Haussucher nur 3 Schillinge, wenn er diese rechtzeitig dem Hausherrn leistet. Nach → Sächsischem Recht leistet der Haussucher für die bei Ergebnislosigkeit verfallende Buße vorher Sicherheit (Planck, 825; → Sicherheitsleistung). Nach asw. Recht wettet der Haussucher einseitig auf den Erfolg (v. Amira, 227) und nach Jus „Slevicense antiquum (§ 21) legt der Haussucher 3 Mark auf die Schwelle, die er verliert, wenn er die Sache nicht findet. Teilweise war nach asw. Recht die → Wette zweiseitig (v. Amira, 228). Diese sachgemäße Lösung für das beiderseitige Risikoverhältnis kennt auch das Rügische Landrecht des Matthäus Normann (C III). [...] |
Letzte Änderung | am 21.06.2017 durch HiWi |
Link | http://www.hrgdigital.de/HRG.haussuchung |
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